Anja Riemer: Die Kinder haben mir geholfen mein Selbstwertgefühl zu stärken. 005

Anja-Riemer

Aber ich hätte nicht erwartet, dass sich mit der Geburt des zweiten Kindes die Arbeit nicht nur verdoppelt, sondern wirklich potenziert.

 

Anja erzählt im Interview:

  • Wie ihr ganzes Leben umgekrempelt wurde.
  • Wie ihr ihre Kinder geholfen haben das Selbstwertgefühl zu stärken.
  • Warum sie nicht nach 6 Monaten angefangen hat zu arbeiten, obwohl sie es so geplant hat.
  • Mit welchen einfachen Schritten sie und ihr Partner Konflikte gelöst haben.
  • Warum es für sie wichtig war, sich in bestimmten Situationen professionelle Hilfe zu holen.
  • Und was sie gerne allen Eltern raten möchte.
 

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Transkript:

P: Mein heutiger Gast bei Elternpodcast ist Anja aus Zweibrücken. Hallo Anja.

A: Hallo Peter.

P: Erzähl uns doch erst mal, wer du bist, was du machst und wie viele Kinder du hast.

A: Ja, also ich bin Anja Riemer-Grobe. Ich komme, wie du schon gesagt hast, aus Zweibrücken, habe zwei Mädels im Alter von zehn und jetzt fast sechs Jahren, bin verheiratet und ich arbeite als Elternberaterin beziehungsweise habe mir da so ein bisschen die Mamas als Wunsch gesucht, um die Mamas zu begleiten und zu stärken in ihren Erziehungsaufgaben.

P: Das ist sicher spannend, also eine spannende Aufgabe, Mütter zu begleiten.

A: Ja.

P: Abwechslungsreich, stelle ich mir vor.

A: Ja, doch, durchaus. Also es ist sehr, ich finde auch, eigentlich immer wieder sehr schönes Arbeiten.

P: Was hat sich in deinem eigenen Leben durch deine Kinder, durch deine zwei Mädels verändert?

A: Ja, das ist eine gute Frage (lacht). Also es hat sich sehr viel verändert so im Nachhinein. Das war mir in dem Moment nicht so bewusst, aber so im Nachhinein muss ich sagen, es hat eigentlich ziemlich mein ganzes Leben umgekrempelt. Ich muss dazu sagen, ich bin sehr jung Mutter geworden.

P: Was heißt sehr jung?

A: Also meine große Tochter kam auf die Welt, da war ich 24. Das ist ja für die heutige Zeit schon relativ jung. Es war aber so, dass mein Mann und ich uns damals schon bewusst dafür entschieden haben und wir hatten, bevor wir Kinder bekommen haben, auch bewusst entschieden, wir wollen jung Eltern werden.

Also ich wollte jetzt nicht warten, bis ich, weiß ich nicht, Mitte dreißig, Anfang vierzig bin, sondern ich wollte jung Mama werden, damit ich dann auch, ja, sage ich mal, früher wieder raus bin aus der ganzen Kindererziehungssache. Und deswegen war das schon eine bewusste Entscheidung, aber ich war mit 24 eben doch relativ jung, wenn man das so für die heutige Zeit vergleicht.

P: Das stimmt, ja.

A: Und es war dann auch so gewesen, dass / Ich war damals noch Studentin und hab erst gedacht, ach ja, es ist ja kein Problem. Ich setze einfach ein Semester, also ein halbes Jahr aus, wenn ich meine Tochter bekommen habe, und dann steige ich wieder ein und studier fertig und das macht sich alles wunderbar.

Dann kam meine Tochter und ich habe aber schon in dem halben Jahr, wo ich mir dann quasi die Auszeit genommen habe, gemerkt, dass es so nicht funktioniert, wie ich mir das eigentlich eingebildet hatte.

P: Und woran hast du das gemerkt?

A: Weil das Kind doch, ja, ziemlich viel Aufmerksamkeit beansprucht hat. Das hatte ich so nicht erwartet, muss ich sagen. Ich hab gedacht, ja, gut, okay, das erste halbe Jahr ist ja auch so das, was einem immer erzählt wird, das ist das kritische. Wenn es da mit Stillen und so weiter und mit Einschlafen sich dann so einpegelt, dann kann man quasi sein Leben wieder aufnehmen.

Zumindest hab ich mir das damals so vorgestellt. Und das war aber nicht so. Wobei ich sagen muss, meine Tochter war relativ problemlos jetzt auch in der Rückschau. Also es war jetzt kein Schreikind oder es gab keine großen Probleme mit Stillen und / Also das war jetzt nicht so, dass sie ein problematisches Baby gewesen wäre, aber sie hat trotzdem sehr viel von meiner Aufmerksamkeit gefordert und sie hat auch meinen Tagesablauf natürlich völlig auf den Kopf gestellt, weil ich hab damals dann schon nach Bedarf nur gestillt und nicht nach einem festen Programm und dann war es halt so, dass ich auch mal nachts um zwei wach war und dafür dann morgens um neun wieder ins Bett bin.

Also das hat man dann schon ziemlich schnell gemerkt, dass sich das mit so einem normalen Studienalltag wahrscheinlich nicht gut vereinbaren lässt.

P: Und als du das gemerkt hast so nach einem halben Jahr, dass der Wiedereinstieg ins Studium nicht so schnell wahrscheinlich stattfindet oder nicht so einfach wird, was hast du dann gemacht?

A: Ja, dann habe ich mich mit meinem Mann zusammengesetzt, weil er war ja der Hauptverdiener, und wir haben damals gesagt, eigentlich wollte ich ja zügig weiter studieren, damit ich bald fertig bin, und hab ihm dann aber gesagt, du, es funktioniert nicht. Ich merke das jetzt schon und ich glaube, wenn ich zu früh wieder anfange, tut das mir nicht gut und tut das auch der Großen nicht gut.

Und er hat dann / Gott sei Dank habe ich einen total netten Mann, der da auch sehr viel Verständnis dafür hat. Und er hat dann gesagt, gut, wie machen wir es? Was hast du für einen Lösungsvorschlag? Und dann hab ich gesagt, ja, mein Professor hat mir angeboten, dass er mich erst mal anstellt, also in einem ganz normalen Arbeitsverhältnis und so, dass ich die Arbeitszeiten halt flexibel legen kann. Und wir haben uns dann darauf geeinigt, dass wir das erst mal machen und der ursprüngliche Plan war halt, das Studium dann später fortzusetzen, wenn die etwas größer ist.

Hat dann so auch nicht funktioniert, weil dann in der Zwischenzeit die zweite Tochter zur Welt kam, aber das war so damals. Unser ganz ursprünglicher Plan war so, zu sagen, gut, ich gehe dann erst mal arbeiten und das ging dann auch relativ gut mit Krippe und flexiblen Arbeitszeiten.

Das hat sich wunderbar gemacht, aber ich glaube, ein Vollzeitstudium so, wie ich es vorher hatte, wäre wirklich absolut nicht möglich gewesen. Bin ich auch heute noch der Überzeugung, dass das schiefgegangen wäre.

P: Also ihr habt dann einfach flexibel auf die Situation reagiert und euch dann einfach einen Weg gesucht, der für euch passt, oder?

A: Genau.

P: Welche Veränderungen gab es denn in eurer Beziehung als, also zu deinem Mann, zwischen euch als Paar?

A: Also erstaunlicherweise muss ich sagen, ist die Beziehung enger geworden durch die Geburt von unserer Tochter. Man muss aber auch dazusagen, es war so, mein Mann war damals noch auf Montage. Das heißt, der war am Wochenende zu Hause oder auch mal 14 Tage am Stück nicht zu Hause, je nachdem wie das dann halt lief.

Und ich hab mir dann aber von Anfang an gewünscht, wenn unsere Tochter auf der Welt ist, hätte ich gern, dass er zu Hause ist. Er hat sich dann dadurch auch eine neue, also intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemüht, hat auch eine gefunden bei uns in der Nähe, sodass er also jeden Tag dann nach Hause fahren konnte und normale Tagesarbeitszeiten hatte. Und dadurch hat sich aber unsere Beziehung auch nochmal intensiviert, weil ich war es ja auch nicht gewöhnt vorher, ihn jeden Tag zu sehen, und umgekehrt. Er war es auch nicht gewöhnt, mich jeden Tag zu sehen.

P: Und das hat dann gut funktioniert.

A: Ja, also es gab natürlich am Anfang ziemlich viel Reibereien, weil da waren ja doch Erwartungen da, wie sich der andere dann verhält oder nicht verhalten sollte oder wie auch immer. Ist ja klar. Wenn man sich nicht jeden Tag sieht, kommen diese Konflikte nicht so zum Tragen, wie sie dann zum Tragen kamen.

Aber wir sind halt ein Paar, das sehr viel miteinander spricht einfach, und wir haben dann die Konflikte relativ schnell lösen können und haben uns, sage ich mal / Ich sag immer, wir haben uns schnell zusammengerauft und im Nachhinein so, wenn ich drüber nachdenke, ist unsere Beziehung zu dem Zeitpunkt eigentlich viel intensiver geworden, als sie vorher war.

Und das haben wir einfach der Geburt von unserer Tochter zu verdanken, weil ich denke, sonst hätte mein Mann nicht so den Anstoß gehabt zu sagen, ich gehe jetzt von der Montage weg und komme jeden Tag nach Hause. Also da war wirklich der Auslöser die Geburt.

P: Das finde ich schön und vor allem finde ich schön, dass du sagst, wir sind, also wir haben viel reden müssen, um die Dinge zu regeln, also um die Dinge zu klären oder um die Erwartungen auszusprechen oder auch zu relativieren. Das finde ich auch ein ganz wichtiger Punkt.

A: Das ist auch heute noch so. Also es war nicht nur damals so. Es ist auch tatsächlich heute noch so, dass wir auch darauf achten, da regelmäßig uns zusammenzusetzen und Probleme gleich anzusprechen. Weil natürlich mit Kleinkindern gibt es vielleicht kleine Probleme, aber auch jetzt gibt es nach wie vor Situationen und Probleme und Konflikte, die gelöst werden wollen.

Das ist, glaube ich, im Leben immer so. Das wird nie ganz irgendwie gelöst werden oder die Friede-Freude-Eierkuchen-Harmonie herrschen, die man sich so vorstellt. Also es war nicht nur damals so. Wir machen das auch tatsächlich heute noch so.

P: Das ist, finde ich, sehr gut Das braucht es, ja.

A: Ja.

P: Ohne Kommunikation kommt man da als Paar wahrscheinlich nicht viel weit.

A: Nicht wirklich. Schon gar nicht dann mit Kindern. Also das verschärft das Ganze nochmal so aus meiner Sicht.

P: Was war für dich beziehungsweise für euch die größte Herausforderung in dem Eltern-Dasein?

A: Die größte Herausforderung war eigentlich oder ist auch heute noch, muss man sagen eigentlich, dass, als dann die kleine Tochter auf die Welt kam. Weil mit der Großen, das lief ja dann ganz gut und wir hatten uns da eingerichtet als kleine Familie. Und dann war bei uns beiden aber der Wunsch da, dass wir ein zweites Kind wollten.

Das hat dann auch relativ schnell funktioniert. Also die sind jetzt vier Jahre nur auseinander. Das war dann ganz gut, aber ich hätte nicht erwartet, dass sich mit der Geburt des zweiten Kindes die Arbeit nicht nur verdoppelt, sondern wirklich potenziert. Also es ist / Wir hatten dann gedacht, ja, gut, okay, das kennen wir ja alles von der Großen schon. Das kriegen wir alles hin. Und plötzlich war da aber so viel Zusatz, ja, weiß ich nicht, Aufgaben, Herausforderungen, was dann so auf einen zukam, das hatten wir beide so nicht erwartet.

Und das war eine Phase, wo ich wirklich sagte, also, pf, ob wir diese Phase so überstehen als Paar, als Familie, war zum damaligen Zeitpunkt jetzt nicht immer so ganz sicher, sage ich mal so. Also das war eine ziemlich große Herausforderung.

P: Und in welchen Bereichen speziell waren die Herausforderungen am größten

A: Also es war speziell so, dass ich mir zum Beispiel / Also ich kann jetzt aus meiner Sicht natürlich besser erzählen als aus seiner, aber aus meiner Sicht war es so, dass ich dachte, ja, Mensch, er müsste ja eigentlich noch mehr mit anpacken, als er es tut, und er müsste mir eigentlich noch mehr helfen, weil er weiß ja, dass ich jetzt nicht nur das Baby habe.

Ich hab ja dann auch noch die Vierjährige, die ja dann auch ihre Aufmerksamkeit will und ihre Mama braucht. Und aus Sicht meines Mannes war es aber so, dass er sagte, ja, gut, Baby bist du ja gewöhnt. Das läuft ja so nebenher und dann hast du Zeit, dich auf die Große zu konzentrieren.

Also das war schon, also ehe wir das so auf einen Nenner gebracht hatten, dass ich sage, ich brauche von dir mehr Hilfe, und er dann gesagt hat, ich kann dir aber nicht mehr Hilfe geben, weil / Weil das für ihn ja natürlich auch dann komplett anders war, also das war, ja, eine sehr schwierige Phase.

P: Und wie habt ihr dann die Kurve gekriegt? Also mit dem Gefühl, also du erzählst ja, das war so ein bisschen Überlastung, oder?

A: Ja, auf jeden Fall. Aber von beiden Seiten, nicht nur von mir.

P: Von beiden Seiten, genau. Also von deiner Seite mit dem zweiten Kind. Von seiner Seite, dass er seinen Job hatte und eigentlich nicht mehr helfen konnte, oder?

A: Genau.

P: Ja. Wie habt ihr das gemacht?

A: Im Endeffekt also wieder mit ganz, ganz viel reden. Es war wirklich so, dass wir dann jeden Tag uns zusammengesetzt haben und ich muss zwar zugeben, dass ich da die treibende Kraft dahinter war, aber ich hab dann gesagt, es ist mir egal, wie müde du bist nach der Arbeit.

Ich bin auch müde und ich will das heute geklärt haben. Und dann haben wir das so in kleinen / Weil ich denke, wenn man sich dann so im Großen immer verliert und immer wieder um dasselbe streitet, kommt man auch nicht weiter. Also hab ich eine Liste gemacht und hab gesagt, okay, heute klären wir diesen einen kleinen Punkt, zum Beispiel die Sache, wer bringt die Große in den Kindergarten morgens.

Und dann haben wir wirklich uns drauf konzentriert, nur das zu klären, wo ich dann sagte, kannst du mir nicht zwei Tage die Woche wenigstens abnehmen, dass ich nicht jeden Tag von den fünf Tagen in den Kindergarten muss? Kannst du da nicht zwei Tage irgendwie übernehmen? Und dann haben wir an dem Tag auch nur das geklärt und haben danach auch bewusst Schluss gemacht und gesagt, so, das ist für heute jetzt geklärt.

Die Lösung haben wir gefunden. Das probieren wir jetzt so. Und über alles andere reden wir dann heute nicht mehr, weil es gab natürlich viel mehr Konfliktpotenziale. Aber jeden Abend streiten wäre uns beiden auch nicht gut bekommen.

P: Das finde ich einen ganz wichtigen Hinweis, dass man nicht den ganzen Berg versucht zu verändern, sondern einen Schritt. Das ist das Geheimnis. Also so, geht mir ähnlich. Wir haben auch drei Kinder und da gibt es auch immer wieder Dinge und es ist immer das, was am dringendsten unter den Nägeln brennt, wenn man das so als Sprichwort ausdrücken mag, das zu lösen erst mal und das andere erst mal vergessen. Das finde ich wirklich ein ganz wichtiger Hinweis.

A: Ja, ich glaube, das ist auch das, was uns wirklich dann damals so quasi Schritt für, Babyschritt für Babyschritt aus diesem Konflikt und aus dieser Krise rausgeführt hat.

P: Das finde ich wirklich spannend. Gibt es eine Fähigkeit oder ein Stärke, wo du durch deine Kinder wie neu entdeckt hast oder entwickelt hast?

A: Also was vielleicht jetzt / Ich weiß nicht, ob du als Mann das nachvollziehen kannst, aber was vielleicht viele Frauen nachvollziehen können, ich hab durch meine Kinder gelernt, auch wieder ein bisschen mehr Selbstgefühl zu stärken. Ich weiß nicht, ob Selbstwert odert Selbstwertgefühl zu stärken, das richtige Wort dafür ist, aber doch tatsächlich / Früher war es immer so, ich hab mich so / Ich bin in der Rolle der Partnerin halt aufgegangen.

Ich hab mich dann auf meinen Mann eingerichtet und hab auch alles dann, hab mein Leben quasi nach ihm ausgerichtet. Und mit den Kindern, also speziell dann mit der Großen hab ich gemerkt, ja, Moment, ich hab ja aber auch ein eigenes Leben. Und dann gab es Stellen, wo ich sage, nein, ich will mein Leben nicht mehr nach meinem Mann ausrichten. Ich will einfach auch mal mein Leben zum Beispiel nach meinem Kind ausrichten oder einfach mal sagen, du, weißt du was?

Sie schläft gerade. Ich weiß, dass jetzt eigentlich kochen dran wäre, aber ich hab jetzt keine Lust. Ich mag jetzt einfach hier auf dem Sofa sitzen bleiben. Und das hab ich dann /

P: Erzähl weiter.

A: Ja, und das hab ich dann so für mich gemerkt, dass das ganz, ganz wichtig ist, und das hab ich früher in dem Maß nicht gemacht. Das habe ich wirklich erst durch meine Kinder begriffen, dass die das brauchen. Das ist auch interessanterweise das, was die mir jetzt wiederspiegeln.

Wenn ich jetzt zum Beispiel so eine Phase hab, wo ich wieder in diese Aufopferungsrolle falle, dann kommt auch meine Große schon mal und sagt, Mama, du wolltest dich doch hinsetzen und dein Buch lesen. Guck hier, ich hab es dir schon bereitgelegt.

Weil sie genau weiß, dass ich das in dem Moment brauche und ich dann immer sag, ja, Kind, du hast Recht. Danke für die Erinnerung. Es ist nötig, dass ich mir jetzt mal wieder eine Auszeit nehme und sage, so, der Haushalt bleibt liegen, kochen bleibt, was weiß ich, keine Ahnung, Mama braucht jetzt eine halbe Stunde für sich.

P: Das finde ich wirklich schön. Also es ist praktisch wieder für sich selber auch zu sorgen.

A: Genau.

P: Trotz Kinder, trotz Mann, trotz Job oder was weiß ich, was es alles so gibt, ja.

A: Genau.

P: Also da geht es auch Männern so (lacht).

A: Okay (lacht).

P: Um auf deine Frage, vielleicht bei mir ist es auf eine andere Art und Weise. Meine Kinder schaffen das oder haben mich gelernt beziehungsweise ich hab von meinen Kindern gelernt, im Jetzt zu leben. Also das ist etwas, was ich beobachte bei meinen Kindern. Die können das einfach so.

Die hocken sich hin und fangen an zu malen, versinken in ihre Welt, oder? Oder spielen oder irgendwas. Und sie machen das einfach, weil sie es brauchen oder ihnen geht es recht gut dabei und danach sowieso. Und ich hab einfach gemerkt, ich hab das für mich verlernt gehabt und hab das wieder dadurch wie neu entdeckt, dass ich sage, aha, die nehmen sich das einfach, die Zeit (lacht).

A: Ja, das stimmt. Das wird auch in der heutigen Zeit einem schwer gemacht, so dieses Im-Moment-Sein. Da ist immer alles andere wichtiger und das Handy piept und dann will der noch was.

P: Genau, ich hab immer, wenn ich meine Kinder sehe, dass sie in diesen Flow reinrutschen, da denke ich, aha, das ist ja für mich wie so eine Erinnerung, das auch zu tun. Also das ist so (lacht).

A: Ja, das stimmt.

P: Was mich noch interessieren würde, in diesen Zeiten, wo du sagst, da gab es so ein paar Herausforderungen oder es gab mal Schwierigkeiten, gab es da irgendwie ein Buch oder etwas, was dir geholfen hat oder wo du etwas rausgenommen hast, wo du gesagt hast, ja, das hat mich einen Schritt weitergebracht?

A: Ein Buch oder sowas eigentlich nicht. Was mir in der Zeit immer geholfen hat beziehungsweise was mir da sehr geholfen hat, waren wirklich regelmäßige Gespräche. Ich bin dann auch wirklich regelmäßig nicht nur mit einer Freundin weggegangen zum Sprechen, also auch außerhalb der Familie sprechen, sondern ich bin dann auch tatsächlich zu einem Berater gegangen.

Das war ein psychologischer Berater damals und ich hab das bewusst gemacht. Ich hab gesagt, ich bin ja nicht krank. Ich hab auch keine psychische Störung, aber ich brauche jemanden, der sich das einfach mal anhört und der mir zum Beispiel auch mal sagt, du, Mensch, da drehst du dich im Kreis. Jetzt denk doch mal in die und die Richtung. Oder guck dir doch mal an, was da und da falsch läuft. Warum stört dich das so?

Und das würde ich auch nach wie vor oder mache ich auch heute noch, wenn es, nicht mehr so regelmäßig, aber wenn so Phasen sind, dass ich mir bewusst da jemanden suche und sage, so, ich brauche jetzt mal jemanden, mit dem ich sprechen kann. Hör dir das mal an und gib mir mal einen Hinweis oder Spiegel mir einfach mal deine Meinung dazu wieder.

P: Ja, das finde ich wichtig, ja, dass man entweder eben mit Müttern oder Vätern oder eben professionelle Hilfe sich holt, wenn man merkt, ich stehe an oder ich komme nicht mehr vorwärts.

A: Genau. Und das ist was, was ich auch heute jedem / Also ich sprech da auch ganz offen drüber, weil ich finde es ganz schlimm, wie das hier oftmals, gerade hier in Deutschland bei uns, gehandhabt wird, dass man das nur so hinter vorgehaltener Hand und das kann ich ja niemandem erzählen. Wenn jemand erfährt, dass ich zu einem Psychologen gehe, um Gottes Willen.

Und ich persönlich find das überhaupt nicht. Ich finde das ganz im Gegenteil eher ein Zeichen von Stärke, dass jemand sagt, Mensch, ich hab da ein Problem. Ich komm allein nicht weiter und ich guck jetzt mal, ob mir dabei jemand helfen kann. Ich meine, dafür gibt es die Leute ja.

P: Genau. Spannenderweise ist es in der Wirtschaft Gang und Gebe, dass man sich Coachings holt und Berater holt.

A: Ja, das stimmt (lacht).

P: Da wird das sehr positiv dotiert. Im privaten Bereich bei Erziehung oder Paarproblemen, da ist man eher so, eher distanziert. Da hast du Recht, ja.

A: Genau.

P: Gibt es etwas, wo du werdenden Eltern mit auf den Weg geben möchtest, wo du sagst, ja, also das war für mich wichtig oder die Erkenntnis hab ich jetzt für mich und die möchte ich gerne weitergeben?

A: Also wenn ich so im Nachhinein drüber nachdenke, würde ich gerne jeder werdenden Mama eigentlich den Tipp mitgeben zu sagen, mach dich nicht verrückt. Bitte, bitte, bitte lass dir nicht von jedem erzählen, wie die Geburt war.

Lass dir nicht von jedem erzählen, wie schnell die Kinder durchgeschlafen haben, wie schnell die Kinder, was weiß ich, alleine sitzen konnten oder wie auch immer, weil ich finde das ganz, ganz schrecklich dieses ständige sich mit anderen vergleichen und ist mein Kind gut genug und bin ich als Mama da gut genug oder als Papa oder ist unser Kind denn normal, weil das mit einem halben Jahr erst ein Wort spricht/ So Sachen.

Und im Nachhinein, also für mich war, Gott sei Dank, das Glück / Was heißt Glück? Wir sind halt relativ weit weg von sowohl meinen Eltern als auch den Schwiegereltern und ich hatte wenige Leute, sage ich mal, die sich von außen eingemischt haben bei uns, die da gesagt haben, du musst das aber so und so machen oder guck mal, ich hab das bei dir immer so und so gemacht. Und das war im Nachhinein für mich was sehr Positives und das ist auch was, was ich gerne den werdenden Mamas sage, zu sagen, hört einfach erst mal drauf, was ihr, was euer Bauchgefühl sagt, was ihr für gut empfindet und für richtig empfindet, und dann guckt mal, ob es euerm Kind damit gut geht. Und wenn das so ist, dann macht das doch so.

Da kann der dritte Schlafratgeber sagen, das Kind muss aber in dem Alter so und so viele Stunden durchschlafen. Wenn es deinem Kind aber mit weniger Schlaf oder mit mehr Schlaf gut geht, dann ist das auch okay.

P: Ja, Das möchte ich so auch so stehen lassen. Das ist wirklich ganz wichtig, das Vertrauen zu haben.

A: Genau.

P: Dass man es richtig macht oder dass es auch gut kommt. Was mich noch interessieren würde, ist, du hast ja gesagt, dein Mann arbeitet Vollzeit, du warst daheim auch Vollzeit. Das heißt, ihr habt so eine klassische Rollenaufteilung.

A: Ja.

P: Wie geht es dir damit?

A: Also mir geht es damit gut, weil wir uns bewusst dafür entschieden haben. Ich weiß, dass das auch heutzutage vielleicht nicht mehr so ganz üblich ist, aber wir haben die Entscheidung bewusst getroffen und leben das auch ganz bewusst so.

Aber wie ich ja schon gesagt hab, wir sind halt auch viel in Kommunikation und wenn ich merke, es kippt in eine Richtung, wo ich mich nicht mehr damit wohlfühle, dann spreche ich das auch offen an und dann versuchen wir, da auch gemeinsam eine Lösung zu finden. Ob das jetzt immer so bleiben wird mit dem Familienmodell, weiß ich nicht, aber für uns ist das eigentlich momentan so eine sehr gute Lösung, wo wir uns beide mit wohlfühlen.

P: Und wie reagiert das Umfeld? Also gibt es eine Reaktion vom Umfeld, von euren Freunden, Bekannten oder Nachbarn?

A: Eigentlich erst, seit ich nicht mehr Vollzeit arbeiten bin, weil das / Also nach der Geburt, hatte ich ja schon erzählt, dann angefangen, Teilzeit zu arbeiten, bin dann, als die Große in den Kindergarten kam, auf Vollzeitarbeit hoch und hab dann aber, als die Kleine kam, bewusst wieder reduziert und hab gesagt, jetzt hab ich zwei Kinder und noch mehr Herausforderungen im Privaten.

Ich möchte jetzt bitte nur noch halbtags arbeiten. Und dann hab ich mich selbstständig gemacht und biete ja die Elternberatung jetzt auch in eigener Praxis an und da kamen dann die ersten negativen Reaktionen vom Umfeld, weil es dann plötzlich hieß, ja, willst du jetzt nicht mehr arbeiten gehen? Und, ja, wie schafft ihr das denn finanziell? Und das geht doch alles gar nicht. Und das sind dann die Sachen, wo ich dann sage, doch, also wir fühlen uns mit diesem Modell sehr, sehr wohl und es ist ja eigentlich auch unsere Sache.

Also meine große Tochter zum Beispiel genießt das sehr, dass ich den Luxus, muss man sagen, habe, zu sagen, okay, deine Schulaufführung ist, was weiß ich, freitags vormittags um zehn. Dann lege ich mir meinen Terminplan so, dass ich dahin gehen kann und deiner Schulaufführung zugucken kann.

P: Ja, das ist wirklich ein Luxus, finde ich auch (lacht).

A: Ja, in dem Fall ist es ein Luxus und ich genieße den sehr und das ist mir auch sehr wichtig, dass wir das so leben können.

P: Ja, finde ich gut. Weil eben ich merke immer wieder, dass das Umfeld reagiert, egal welches Modell man wählt.

A: Ja (lacht).

P: Das Umfeld reagiert, weil es vielleicht nicht in das Modell des Umfelds passt, oder?

A: Ja, das stimmt.

P: Und umso wichtiger finde ich das, was du gesagt hast, dass / Wir haben uns dafür entschieden und wir leben das so und die und die Vorteile sind für mich da damit verbunden und es hat auch eine Qualität, oder?

A: Genau. Also was ich immer wieder, was ich auch den Mamas in den Beratungen immer wieder sage, es muss einfach zu dir passen. Wenn du dich bewusst dafür entscheidest und es bewusst für dich so wählst, dann kann es eigentlich egal sein, was die Nachbarin, die Mama oder was weiß ich wer dazu sagt.

Dann wird das für dich auch passend sein. Wenn man sich jetzt in einem Vollzeitjob zum Beispiel abmüht, nur weil man das halt so macht, dann wird das auch Auswirkungen auf die Familie haben und das ist, finde ich für mich nicht gut, will ich für mich so nicht.

P: Ja, schön. Jetzt nochmal eine ganz andere Frage, eine ganz andere Richtung. Was war für dich in den letzten Tagen das Schönste oder das Lustigste, was du mit deinen Kindern erlebt hast?

A: Also das Allerschönste war / Da muss ich aber jetzt kurz ausholen. Die Kinder machen jede Sommerferien alleine Urlaub, also bei ihren Großeltern, weil, wie ich vorhin schon gesagt hab, die wohnen weit weg und die sehen sich über das Jahr nicht viel. Und wir machen das schon seit Jahren so, dass die dann drei Wochen allein bei den Großeltern sind. Und die drei Wochen waren jetzt gerade wieder um und mein Mann und ich sind hingefahren, um die Kinder abzuholen wieder.

Und wir hatten die, wie gesagt, drei Wochen nicht gesehen und ab und zu telefoniert, aber ansonsten jetzt nicht wirklich. Und sie kamen beide angestürmt auf mich zu und ah, Mama, endlich hab ich dich wieder. Und meine Kleine hat dann mitten in der Bewegung gestockt, hat mich mit großen Augen angeguckt und hat gesagt, Mama, du hast ja die Haare kurz. Weil ich war / Ich hab ja tatsächlich die drei Wochen auch für mich genutzt und war beim Frisör und habe mir tatsächlich ein bisschen das kürzen lassen.

Und dann sag ich, ja, mein Schatz, mir war jetzt mal nach kurzen Haaren. Und dann war das für sie dann eigentlich schon wieder erledigt und sie kam dann und hat mir ihre ganzen Urlaubserlebnisse erzählt und dann kam mein Mann aus dem Hintergrund und sagt, seit wann hast du denn die neue Frisur? Es ist mir gar nicht aufgefallen. (lacht) Und es war eine so typische / Also wir mussten alle vier dann so herzhaft lachen, weil es so eine typische Situation eigentlich war, dass es meinen Kindern halt sofort auffällt und meinem Mann, ja, der hat es zwar wahrscheinlich unbewusst irgendwo registriert, aber nicht so, dass es ihm bewusst geworden wäre.

Also wir haben da, also es war so ein richtig schönes / Also da haben wir erst mal herzhaft gelacht und haben gesagt, so, jetzt sind wir wieder als Familie zusammen (lacht).

P: Das ist schön. Das bringt mich auf noch, auf die letzte Frage, weil wir sind schon bei 28 Minuten sind. Du hast erzählt, eure Großeltern sind weit weg und somit konntet ihr nicht auf sie zurückgreifen, als die Kinder klein waren oder jetzt nur praktisch über die Ferien. Wie habt ihr das gemacht mit Kinderbetreuung oder auch mal sich Zeit für sich selber nehmen? Waren die Kinder immer da oder habt ihr da irgendwie eine Auswärtsbetreuung gehabt oder Kindergarten, Kinderkrippe.

A: Also wir haben von Anfang an eigentlich eine Fremdbetreuung in Anspruch genommen. Also sie waren erst in der Kinderkrippe, dann im Kindergarten und es ist auch jetzt noch so, dass die Große zum Beispiel nach der Schule in einen Hort geht, also wo dann Hausaufgabenbetreuung ist und sie Mittagessen bekommt und dann nachmittags verschiedene Angebote laufen von Sport über basteln über keine Ahnung was, was die Kinder sich dann wählen können, ob sie das wollen oder nicht. Und das tut uns allen sehr, sehr gut. Es verschafft uns als Eltern ein bisschen Freiraum.

Zum Beispiel genieße ich das sehr, ohne die Kinder einkaufen zu gehen. Ich mache meinen Wocheneinkauf grundsätzlich, wenn die beide noch versorgt sind, weil mir das einfach den Stress nimmt. Und den Kindern tut es gut, weil die natürlich wahnsinnig viel mit anderen Kindern zusammen sind und, ja, also gerade im Hort laufen Angebote, die kann ich der gar nicht bieten, weil ich bin zum Beispiel handwerklich nicht begabt und wenn die dann sagt, oh, wir machen heute, weiß ich nicht, nähen, häkeln, stricken, dann sage ich, das ist toll Schatz, wunderbar, super.

Wieder was, was ich nicht mit dir irgendwie machen muss oder wo ich nicht dafür verantwortlich bin. Also das war von Anfang an und was ich auch, worauf ich von Anfang an geachtet hab, ist, mir da wirklich ein gutes Netzwerk aufzubauen, sag ich jetzt mal, aus Bekannten, Verwandten und Freunden. Also die haben / Patentanten zum Beispiel, die regelmäßig auch sagen, hey, es ist mal wieder ein Ausflug fällig. Die sich dann eins von den Kindern schnappen und mit denen zum Beispiel in den Vergnügungspark fahren einfach so. So, weil es jetzt halt gerade mal Patentantenzeit ist.

P: Das ist sehr schön.

A: Und wo wir dann spontan wirklich einen Tag frei haben, wir Eltern.

P: Super. Anja, ich möchte das gerade so zum Abschluss einfach stehen lassen, weil das ist eine sehr schöne Aussage, sich so ein soziales Netz aufzubauen als Hilfe und das auch zu beanspruchen. Das ist, glaube ich, noch viel wichtiger.

A: Ja, das stimmt.

P: Genau, dass man das nicht nur hat, sondern auch in Anspruch nimmt, dass man sich auch traut, das in Anspruch zu nehmen. Und ich möchte mich einfach bei dir bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, mit uns deine Erfahrungen aus deinem Familienleben mit deinen Kindern mit uns zu teilen. Und dafür nochmal recht herzlichen Dank.

A: Ja, sehr, sehr gerne. Ich finde das auch immer sehr wichtig, sowas, ja, in den Austausch halt zu gehen und den Eltern auch mal zu sagen, hey, es ist ganz normal, was ihr da erlebt. Das ist nichts schlimmes.

P: Genau. Und ich werde die Informationen über dich, über deinen Blog und was du machst, alles, was wir hier so erwähnt haben, unter dem Podcast verlinken und, ja, vielen Dank und liebe Grüße nach Zweibrücken.

A: Ja, vielen Dank, Peter.