Immer wieder erlebe ich Eltern, die verunsichert sind, ob und wie sie ihren Kindern gegenüber Grenzen setzen dürfen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie schwierig es sein kann, Grenzen zu setzen. In diesem Artikel erfahren Sie, warum Grenzen setzen wichtig ist und was Ihnen dabei helfen kann.
Kinder (alle Menschen) handeln ihren Bedürfnissen entsprechend.
In den ersten Lebensmonaten eines Kindes ist es fundamental wichtig die Bedürfnisse nach Schutz, Nahrung und Zuneigung eines Kindes bedingungslos zu befriedigen. Nicht nur, damit Kleinkinder überhaupt überleben können, sondern auch, damit sie sich sicher fühlen und ein (Ur)Vertrauen in die anderen Menschen aufbauen können.
Diese kindlichen Bedürfnisse müssen absolut verlässlich und zunächst vollumfänglich befriedigt werden, damit sich ein Kind gesund entwickeln kann. Die Bedeutung der frühen Kindheit und wie wichtig es für die lebenslange Entwicklung ist, die Bedürfnisse der Kleinkinder zu befriedigen können Sie hier nachlesen.
Erst nach und nach können Kleinkinder lernen, dass andere Menschen auch Bedürfnisse haben oder Dinge gefährlich sein können und es (daher) Grenzen gibt.
Das heisst: Kinder müssen lernen, ihre Bedürfnisse aufzuschieben, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und die Grenzen anderer und auch eigene Grenzen zu respektieren. Dies ist ein langer Weg!
Manch Erwachsener hat noch Mühe angemessen die Bedürfnisse anderer Menschen oder auch die eigenen wahrzunehmen und zu berücksichtigen!
Sobald mit sich selber, einer Situation (z.B. Strasse überqueren) oder anderen Personen verantwortungsvoll umgegangen werden kann, braucht es keine äussere Vorgaben und Hilfestellungen mehr.
Damit Menschen die Bedürfnisse von sich und anderen angemessen wahrnehmen können und einen guten Umgang damit lernen, brauchen sie klare Grenzen.
Klare Grenzen sind aus folgenden Gründen wichtig und wertvoll:
1. Grenzen müssen altersentsprechend angepasst werden.
Von Aussen als ErzieherIn Grenzen zu setzen und Vorgaben zu machen, macht so lange Sinn wie etwas NOCH zu wenig selbständig und verantwortungsvoll gelöst werden kann.
Damit Lernprozesse und Entwicklungsschritte gemacht werden können, muss gleichzeitig aber auch ein gewisses Mass an Eigenerfahrung unbedingt zugelassen werden.
– Niemand lernt etwas, wenn er nicht auch selber Erfahrungen machen kann oder ausprobieren darf. Es ist klar, je älter ein Kind wird, umso mehr kann es einen verantwortungsvollen Umgang lernen, umso mehr darf und soll ihm zugetraut werden, weil es die Welt auch kognitiv besser versteht, mehr wahrnehmen kann, mehr Erfahrungen hat, selbständiger wird,…
2. Jedes Kind braucht andere Grenzen!
Was erfahrene Eltern bereits lange wissen, ist im Schulalltag leider oft noch nicht wirklich angekommen: Man kann nicht jedes Kind gleich erziehen; Kinder brauchen unterschiedliche Erziehungsmethoden, da sie unterschiedlich schnell lernen und verstehen.
Und Kinder haben unterschiedliche Ziele, die sie noch erreichen müssen usw. Es ist daher nicht berechtigt für alle Kinder die gleichen Grenzen zu setzen. Ein Kind ist vielleicht schon sehr selbständig, und man kann sich auf das Kind verlassen.
Ein anderes braucht mehr Grenzen um es zu schützen und hat daher auch noch nicht die gleichen Privilegien. Da spielt nicht nur das Alter des Kindes eine Rolle, sondern auch seine Persönlichkeit und seine Reife. Grenzen müssen also je nach individuellen Stärken und Schwächen und je nach Entwicklungsstand des Kindes gesetzt werden.
Für das Familienleben bedeutet das auch ganz klar, dass man nicht alle Kinder gleich behandeln kann. Dies wird dann von den Kindern teilweise als ungerecht empfunden. Ich bin aber der Meinung, dass man dies den Kindern auch gut erklären kann (vgl. auch unten).
3. Aushalten!
Kinder brauchen und suchen die Erfahrung von Grenzen. Wenn wir als Eltern dem Kind Grenzen setzen, wird es sich auch dagegen auflehnen und alles daran setzen seine Bedürfnisse und seinen Willen durchzusetzen.
Nicht weil sie mich als Mutter schikanieren wollen, sondern einfach, weil sie etwas anderes wollen als ich. Dabei ist es wichtig, dass ich das Verhalten des Kindes und seine Emotionen und Ablehnungen nicht persönlich nehme. Ich muss die Frustration und Wut des Kindes aushalten.
Manchmal sind Eltern ihren Kindern gegenüber nicht mehr klar genug, weil sie Angst vor einer schlechten Stimmung oder gar Angst haben, die Liebe des Kindes zu verlieren.
Wenn uns das geschieht, dann verlieren wir mit der Zeit jedoch die Glaubwürdigkeit unserer Erziehung, geben dem Kind nicht mehr den nötigen Rahmen und letztlich auch zu wenig Halt.
Liebe geben heisst auch Halt und Grenzen bieten!
Und:
Das Kind muss das nicht immer gleichermassen einsehen wie wir. Das können wir nicht erwarten (jedenfalls noch nicht im Moment). Es gehört also zu unserer Erziehungsaufgabe auch Wut, Frustration, Ablehnung, Kämpfe,… auszuhalten.
Holen Sie sich meinen Ratgeber und lernen Sie Grenzen zu setzen ohne zu bestrafen.
4. Perspektivenwechsel
Wie bereits angesprochen, handeln Kindern Ihren Bedürfnissen entsprechend. Wenn ich das Bedürfnis bzw. den Wunsch oder das Anliegen des Kindes anerkenne, kann es mir helfen das schwierige (trotzende, wütende) Verhalten des Kindes besser zu verstehen und auszuhalten.
Wenn ich sehe, wie legitim der Wunsch des Kindes im Grunde ist, kann ich dem Kind auch besser verständlich machen, warum es trotzdem nicht so geht, wie das Kind es will.
Ein Beispiel:
„Ich kann gut verstehen, dass du keine Mütze tragen möchtest, wenn die anderen Kinder das auch nicht tun, dennoch ist es für dich im Moment sehr wichtig, da du erst noch gestern Ohrenschmerzen hattest. Vielleicht können wir für dich eine besonders tolle Mütze aussuchen…“
Unser Buch „Was Kinder brauchen und Eltern geben können*“ hilft Ihnen die Bedürfnisse von Kindern besser zu verstehen und gibt Ihnen, wie dieser Artikel, hilfreiche Tipps, wie Sie darauf reagieren und das Kind adäquat leiten und begleiten können.
5. Erklären
Erklären Sie Ihrem Kind, warum Sie an dieser Grenze festhalten. Sie können aber nicht unbedingt erwarten, dass das Kind das gerade auch versteht oder sogar damit einverstanden ist.
Aber Erklärungen ermöglichen dem Kind längerfristig Lernprozesse. Immer wieder stelle ich fest, dass ein Kind oft sehr viel später zum Beispiel dem jüngeren Geschwister praktisch in meinen Worten erklärt, warum dies oder jenes so nicht geht…
6. Klarheit
Es ist wichtig, dass wir klar zu unseren Grenzen und Erziehungsvorstellungen stehen können. Kinder spüren unsere Unsicherheit sofort und testen dann umso stärker, ob es uns ernst ist.
Ganz problematisch wird es dann, wenn ich aufgrund des schwierigen Verhaltens des Kindes von meiner eigenen Grenze abweiche. In diesem Fall lernt das Kind: Ich muss mich nur genügend stark „querstellen“, dann bekomme ich schon, was ich will. Das darf auf keinen Fall geschehen!
Aber als Mutter erlebe ich schon auch, dass ich durch die Proteste meiner Kinder unsicher werde, ob ich etwas wirklich so durchziehen will. Dann muss ich vielleicht auch für mich oder zusammen mit meinem Mann überprüfen, ob diese Grenze (z.B. Schlafenszeit) verändert werden muss.
Es ist also ok oder sogar wichtig, dass ich ab und zu etwas wieder überprüfe. Dennoch sollte ich in dem Moment, wo ich etwas verlange auch möglich sicher sein, dass ich das so will und selber überzeugt sein, dass ich diese Erwartung an das Kind stellen kann.
Dann kann ich auch mit Klarheit und Standhaftigkeit die Grenze durchziehen. Und das muss ich in dem Moment unter Umständen auch.
Halten Sie nicht einfach starr an einer Grenze fest (vgl. oben). Ich höre sehr oft von Eltern die Angst, dass sie „die Kontrolle verlieren“.
Mit Kompromisse eingehen ist nicht gemeint, von den eigenen Erziehungsprinzipien abzuweichen, sondern nicht in einem Machtkampf mit dem Kind zu enden. Wenn Sie merken, dass es eigentlich nicht mehr um die Sache selber geht (z.B. warm genug anziehen oder Gemüse essen), sondern nur noch darum, ob Sie oder das Kind „das letzte Wort“ haben oder sich durchsetzen, dann wäre es wichtig wieder zum eigentlichen Ziel zurückzukehren.
Die Botschaft muss dabei klar bleiben. Z.B. „Es schneit und wenn du nach draussen gehen willst, möchte ich, dass du dich warm genug anziehst“. Der Kompromiss zeigt sich dann vielleicht darin, dass das Kind entscheidet, ob Mütze oder Kapuze, ob drin bleiben oder nach draussen gehen, ob …
Zum Beispiel die Frage:
„Möchtest du lieber Salat, Rohkost oder Gemüse zu deinen Teigwaren?“ – Das Kind hat somit eine Entscheidungsmöglichkeit, kann seinen Willen einbringen, und ich als Mutter erreiche, dass es auch zu Vitaminen kommt.
8. Weniger ist oft mehr!
In der Erziehungsberatung empfehle ich den Eltern öfters, sich gut zu überlegen, welche Erziehungesziele wirklich wichtig sind und welche Grenzen sie setzen möchten. D.h. es ist auch wichtig zu überprüfen, ob wir nicht zu viel von den Kindern verlangen.
So kann es schnell geschehen, dass wir nur noch am Kontrollieren oder Schimpfen sind. Das kann die Eltern-Kind-Beziehung sehr belasten und fühlt sich sowohl für die Eltern (fühlen sich nur noch als Polizisten) und für die Kinder (werden ständig gemassregelt) schlecht an.
Zudem haben wir für Sie 20 Reflexionsfragen zusammengestellt, die Ihnen helfen können, sich mit der eigenen Erziehung auseinanderzusetzen und in der Erziehungsaufgabe zusammen mit dem Kind zu wachsen.
Die Forschung zeigt: Der Lernprozess beim Kind ist besser, wenn wir mit ihm an einigen wenigen Erziehungszielen arbeiten, dafür richtig. Kann es etwas gut, gehen wir zum nächsten Schritt über.
9. Das muss ich mir erst noch überlegen!
Durch unseren ältesten Sohn (17 Jahre) wurde ich mit seinem zunehmenden Alter immer öfter mit Wünschen konfrontiert, die bei mir zuerst nur Ablehnung oder auch mütterliche Angst ausgelöst haben (z.B. als er zum ersten Mal fragte, ob er bis um Mitternacht ausgehen darf).
Bisher waren die Grenzen klar und meine erste Intention war, an dieser Grenze festzuhalten. Bisher sprachen auch alle vernünftigen Überlegungen dafür. Ich habe aber immer wieder erlebt, dass es manchmal sinnvoll ist, nochmals über alles in Ruhe nachzudenken und mit meinem Mann über unsere Regeln zu sprechen (vgl. oben).
Sehr empfehlenswert sind auch Familienkonferenzen (vgl. Gordon Modell) zu denen wir als Familie gemeinsam an den Tisch sitzen und jeder seine Vorstellung und Wünsche einbringen kann.
Als erste Reaktion auf eine Anfrage habe ich mir den Standardsatz:
„das muss ich mir erst noch überlegen!“ eingewöhnt.
Dieser Satz ermöglicht Zeit zum Nachdenken und Besprechen; nimmt Druck aus der momentanen Situation. Und spannenderweise erledigt sich ab und zu auch ein Anliegen bzw. Bedürfnis des Kindes von selbst, ohne dass ich etwas verändern muss (z.B. weil die Freunde auch noch nicht so lange ausgehen dürfen).
Grenzen setzen ist wichtig – was hilft Ihnen dabei?
Ihre
Sara Michalik
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