Patricia Cammarata: Ich musste mich vom Perfektionismus verabschieden 008

Patricia-Cammarata

Kinder haben die erstaunlichsten und unkomplizierten Lösungen, die in meinem Kopf gar nicht möglich waren

 

Patricia erzählt im Interview:

  • Wie ihr Leben durch Kinder wirklich schöner geworden ist.
  • Über ein Thema, wo sie an den Kleinigkeiten als Partner gescheitert sind, indem sie nicht gut und vor allem wenig geredet haben.
  • Warum sie gedacht hat, dass sie die Mamarolle trotz Arbeit noch voll übernehmen muss.
  • Warum es für sie besser ist 30 anstatt 20 Stunden zu arbeiten.
  • „Kinder haben die erstaunlichsten und unkomplizierten Lösungen, die in meinem Kopf gar nicht möglich waren“.
  • Warum sich vom Perfektionismus zu verabschieden sehr schwierig war.
 

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Shownotes:

Patricia Cammarata lebt in Berlin, weil Berlin nach dem Internet der zweitschönste Ort der Welt ist. Als studierte Psychologin arbeitet sie folgerichtig als IT-Projektleiterin. Ihr Leben wurde unter dem Namen „The IT Crowd“ bereits verfilmt. Seit über 10 Jahren bloggt sie unter dem Pseudonym dasnuf. Die letzten Jahre gerne über ihr Leben mit Kindern. Daraus wurde das Buch „Sehr gerne, Mama, Du Arschbombe“.

Patricia schreibt für unterschiedliche (Online)Magazine und auf ihren Blog Dasnuf, hält Vorträge und podcastet u.a. regelmäßig bei der Weisheit.de

Ich lese lieber:

Transkript:

PETER: Mein heutiger Gast bei Eltern-Podcast ist Patricia aus Berlin. Hallo Patricia!

PATRICIA: Hallo!

PETER: So als Nicht-Berliner ist man immer so ein bisschen neidisch auf die Menschen, die in Berlin wohnen dürfen, ich finde es eine wunderschöne Stadt. Aber wie empfindet man es selber so als Berliner? In Berlin zu leben?

PATRICIA: Ich bin ja, wie viele, keine wirkliche Berlinerin. Die sind ja ganz selten. Ich bin auch nur Zugezogene und von daher ist es auch meine Wunschheimat und ich bin hier sehr, sehr glücklich. Speziell auch mit Kindern. Man hört ja ganz oft so „Ah wollt ihr nicht lieber aufs Land ziehen?“. Aber ich finde es gerade mit Kindern hier sehr, sehr schön

PETER: Ok, spannend. Da komme ich doch einfach mal gleich zur ersten Frage, erzähl uns doch mal, wer du bist, was du machst und wie viele Kinder du hast? Außer, dass du in Berlin wohnst, das wissen wir jetzt

PATRICIA: Also mein Name ist Patricia Cammerata, ich bin hauptberuflich IT-Projektleiterin und nebenher Bloggerin und Autorin. In meiner Familie gibt es zwei eigene Kinder, und gab es sehr lange in Patchwork-Kind, was jetzt bei der eigenen Mama wohnt, seit einiger Zeit. Ja. Das sind so die Eckdaten

PETER: Darf man fragen, wie alt die Kinder sind?

PATRICIA: Die sind jetzt so alle Schul-, Grundschulalter und fortgeschrittenes Teenageralter

PETER: Also eine gute Spannbreite

PATRICIA: Ja, auf jeden Fall

PETER: Oder wie man so schön sagt, aus dem Gröbsten raus? (lacht)

PATRICIA: Auf jeden Fall. Das merkt man schon. Wir hatten jetzt den ersten Urlaub mit Ausschlafen. Das war toll. (lacht)

PETER: Sehr schön. Patricia, was hat sich durch deine Kinder in deinem Leben verändert?

PATRICIA: Ja, also es hat sich eine Menge geändert und das klingt vielleicht auch ein bisschen kitschig, aber so unterm Strich würde ich sagen, ist mein Leben wirklich schöner geworden, seit ich die Kinder habe. Das liegt zum einen daran, dass ich viel mehr Liebe habe, selber und auch für die Kinder und es gibt viel mehr Reflexionen darüber, was mir wichtig ist im Leben und das ist tatsächlich sehr durch die Kinder gekommen und ich habe so eine ganz andere Wahrnehmung von meinem Alltag Früher hatte ich eher so lange gute Phasen, lange schlechte Phasen.

Und irgendwie hat sich das geändert durch die Kinder, ich habe viel mehr Momente, dass man sich so fokussieren kann, so kleine Sachen sehen kann. Und davon sind tatsächlich die meisten eben sehr schön. Und es gibt natürlich auch anstrengende oder nicht so schöne Momente, aber die guten Momente überwiegen eigentlich. und ansonsten, die größte Änderung ist sicher die Regelmäßigkeit. Also es gibt so gut wie keine unverplante Zeit mehr in meinem Leben.

Also um die ganzen Pflichten und vielleicht auch das, was man gerne macht, unter einen Hut zu bekommen, muss ich viel disziplinierter sein, als ich früher war. Ich habe das Gefühl, ich kann eigentlich fast nie was auf morgen schieben. weil morgen kann immer ein Kind krank sein oder hat noch einen Zettel dabei, dass ein Kuchen gebacken werden muss, für den Schulbazar oder so. die Flexibilität ist so ein bisschen flöten gegangen, sag ich mal.

PETER: Ok, was mich noch interessiert, du hast vorhin erwähnt, du hast mehr Liebe bekommen. Habe ich das richtig verstanden?

PATRICIA: Ja. Ja.

PETER: Woran merkst du das?

PATRICIA: Ähm, na also Kinder, die sind so rein in ihrer Liebe, sind sie in allen Gefühlen, also, wenn die sich ärgern, ärgern sich die auch sehr, aber tatsächlich ist es so, dieses kleine im Alltag, wenn man ein Eis isst oder was vorliest und ein Kind sich dann so ein einen kuschelt, oder ein irgendwie fröhlich anguckt oder so davon gibt es viel, viel mehr Momente in meinem Leben mit Kindern und das macht mich sehr glücklich.

PETER: Nimmst du das intensiver wahr, oder hast du es vorher einfach nicht so wahrgenommen? Vor den Kindern?

PATRICIA: Ähem, also ich glaube es ist tatsächlich einfach mehr, in der engeren Familie da und das ist auch eine Änderung der Wahrnehmung gerade so in der Baby-Zeit lernt man das so ein bisschen, mehr für den Moment zu leben. Da hat man vielleicht auch mal eine anstrengende Nacht, aber ich habe mir dann immer gesagt, so und jetzt kommt auf jeden fall der nächste Morgen und ab da hat man, sozusagen wieder eine Chance, dass alles gut ist und entspannt und ja, da habe ich angefangen mehr die Augenblicke zu sehen und nicht so drüber hinweg zu sehen oder nur, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, so einen Alltagsbrei, wie ich das vorher hatte, sondern wirklich auf den Moment zu schauen.

PETER: Das finde ich wirklich eine ganz schöne Aussage, das habe ich so noch nie gehört. Dass man mehr Liebe bekommen hat. Das finde ich wirklich, berührt mich.

PATRICIA: Ja, mich auch tatsächlich.

PETER: Und vor allem, ich weiß nicht, ob da ein Klischee ist, aber du hast gesagt, du bist IT-Projektleiterin?

PATRICIA: Ja

PETER: Da stellt man sich so Menschen vor, die hinter einem Computer so Zahlen, Daten, Fakten viel Technik und wenig Emotionen

PATRICIA: Ja

PETER: Und dann so eine Aussage, das finde ich ein schöner Kontrast

PATRICIA: Ja, das is auch auf jeden fall, der Job ist schon sehr sachorientiert. Und da ist, sagen wir mal, weniger Platz für diese Art von Herzlichkeit, aber man nimmt das letztendlich so ein bisschen auch wieder mit. ich habe mich selber auch sehr, durch die Kinder, geändert, selbst und da trägt man in sein Umfeld auch.

PETER: Also meinst du verändert in Richtung mehr wahrnehmen oder in welche Richtung?

PATRICIA: Ja mehr wahrnehmen und wertschätzen auch. Man kann das ja genauso mit den Arbeitskollegen machen, dass man alles als selbstverständlich hinnimmt und ständig die Augen verdreht, weil man denk, mein Gott jetzt ist das wieder so und so gelaufen, oder, dass man wirklich sagt, „Mensch guck mal, da ist was besonders gut gelaufen“, und dann lernt man eben, dass man das auch sagt.

Das man es nicht nur sieht, sondern das auch laut ausspricht und auch wieder an die Person zurückgibt. Das glaube ich ist schon ein bisschen was, was ich mit meinen Kindern gelernt habe, oder auch tatsächlich aus schlechten oder anstrengenden Momenten, ich habe an meinen Kindern auch wirklich gelernt zu sehen, wann ich mich falsch verhalte, und ich auch zu entschuldigen beispielsweise. und das ist auch für die Arbeit hilfreich, weil man ist ja selber nicht immer perfekt, oder man ist vielleicht mal angespannt und in dem Moment geht es nicht anders, aber, wenn man sieht, jemand anders kompensiert es vielleicht, macht dann ruhig die Sachen, die man zusammen macht und man ist drei Stunden später wieder ein bisschen runtergekommen, dass man auch sagen kann Mensch „Vielen Dank, dass du das gemacht hast und ich habe mich da wirklich blöd verhalten.“ Und ich glaube, das ist tatsächlich was, was ich durch meine Kinder gelernt habe

PETER: Da bewahrheitet sich wieder der Spruch, der immer wieder so kursiert, Kinder sind die großen Lehrmeister! Das

PATRICIA: Auf jeden fall

PETER: Wenn ich dir so zuhöre, kommt mir das sofort in den Sinn.

PATRICIA: Ja, ja. Ich hätte das auch so nicht erwartet, tatsächlich, man kennt ja solche Sprüche auch und ja. Mich hat das tatsächlich überrascht, was man wirklich auch von wirklich kleinen Kindern lernen kann, dass es gar nicht so eine Frage ist der sprachlichen Entwicklung, was man wirklich so voneinander lernt, sondern wirklich durch das beobachten oder vielleicht gerade dadurch, weil man am Anfang gar keine Sprache hat

PETER: Genau, da nimmt man ganz andere Dinge wahr

PATRICIA: Ja.

PETER: Was hat sich in deine Partnerschaft verändern durch Kinder

PATRICIA: (lacht) Ich muss sagen, das ist ein Thema, wo wir gescheitert sind als Partner. Also als Eltern denke ich nicht, das sind wir ja weiterhin. Aber tatsächlich also bin ich geschieden jetzt. und das ist, glaube ich, gekommen auch durch bestimmte Schwierigkeiten, die wir eben hatten, durch die Veränderung, die durch Kinder gekommen sind

PETER: Was würdest du rückblickend sagen, was war der größte Faktor, der dazu beigetragen hat, dass es nicht funktioniert hat?

PATRICIA: Das wir nicht gut geredet haben und vor allem wenig geredet haben und ganz viele so implizite Annahmen hatten, jeder denkt sich seinen Teil, wie Sachen sein soll und dann hat man sich wenig ausgetauscht und sich wenig Möglichkeiten gegeben, sich miteinander auf so eine neue Situation einzustellen. Als Beispiel, ich bin sehr so im Kopf sehr konservativ gestartet. Ich komme auch aus so einem Haushalt, da hat halt der Papa gearbeitet und die Mutter war zum größten Teil Zuhause und das war für mich selbstverständlich, dass das bei uns auch so sein wird.

Dann hab ich aber gemerkt, es ist natürlich ein bisschen auch eine Umfeld Frage, in Berlin ist es sehr üblich, durch die sehr guten Betreuungsmöglichkeiten, dass man nur kurz Elternzeit macht und dann ach wieder anfängt zu arbeiten und da hatte ich dann auch Lust drauf und dann habe ich gemerkt, beides macht mir auch Spaß, also Mama sein und arbeiten, macht mir Spaß, aber wir haben da nie wirklich drüber geredet, wie sich das praktisch im Alltag auswirkt und es gab immer die Annahme, also zumindest gefühlt auf meiner Seite, dass ich trotzdem zuständig bin für die ganzen Dinge, die rund um Familie und Kinder anfallen.

Und zu meinem großen Erstaunen, also habe ich das Gefühl, ich bin an den Kleinigkeiten gescheitert. Also ich finde es ist wahnsinnig viel Verantwortung im Detail. Also der Kuchen, der für das Kindergartenbuffet gebacken werden muss, drauf zu achten, dass die Fingernägel geschnittene sind, das Geschenk für den Kindergeburtstag einkaufen, an die Wechselwäsche denken, die Hausschuhe, die zu klein geworden sind, kaufen und so, das sind alles für sich genommen kleine Sachen, aber da hatte ich irgendwann das Gefühl, mir geht die Energie total aus. Und das haben wir nicht justiert bekommen, sozusagen als Paar auch

PETER: Habe ich das richtig verstanden, dass du gesagt hast, ich habe angefangen zu arbeiten, hab aber gedacht, die Mamarolle muss ich noch voll übernehmen?

PATRICIA: Genau, also ich hatte das Gefühl eben, also, die Verantwortung zum allergrößten Teil bei mir lieg und es so ein paar kleine Sachen gibt, die der Vater auch machen kann. Und, ja. Ich habe dann gemerkt, das funktioniert nicht, aber wir hatten überhaupt keinen, weil wir so gestartet sind, ohne wirklich darüber zu sprechen, wie soll das denn sein und wie wir dann darüber angefangen haben zu sprechen, da war es schon sehr, sehr schwierig.

Also da war ich schon an einem Punkte, wo ich nicht dachte, „Mensch, das wäre gut, wenn der Vater jetzt ein bisschen mehr macht“, sondern, da hatte ich schon das Gefühl, eigentlich muss er das dann schon merken, also dass man quasi gar nicht drüber sprecht, sondern er muss das doch sehen, dass das quasi anders läuft, und, er hat da sicherlich eine andere Wahrnehmung weil wir haben von den Stunden her, er hat Vollzeit gearbeitet, ich habe 30 Stunden, was ich jetzt auch noch mache, gearbeitet und da waren quasi immer implizit die Annahme, da sind noch diese zehn Stunden übrig, die ich eben in die Familien-Arbeit stecken kann. Nur die haben nicht gereicht einfach. Ja

PETER: Wobei das finde ich auch schon sehr viel, 30 Stunde in der Woche zu arbeiten.

PATRICIA: Das Interessante ist, ich hatte zuerst weniger gearbeitet, also 20 Stunde und das hat mich mehr gestresst als die 30 Stunden

PETER: Ok

PATRICIA: Weil durch die kurzen Zeiten hatte ich im Job das Gefühl, wirklich gar keine Pause haben zu können, nicht irgendwie durchatmen zu können und wirklich nur so Feuerwehr Aufgaben übernehmen zu müssen, nicht in Ruhe planen und Sachen sich auch entwickeln lassen, sondern es musste immer alles zack, zack zack hintereinander sein.

Und das hat mich tatsächlich so stark ausgelaugt, dass ich auch, also wirklich kurz davor war zu sagen, „Ok, ich kann eigentlich gar nicht mehr arbeiten.“ Und dann habe ich das Gespräch mit meiner Chefin gesucht und die war sehr verständnisvoll und hat gesagt, „Na ja, Frau Cammarata, ich kann ihnen nicht sagen wie es besser wird, sie müssen sich das selber überlegen, an welcher Stelle eine Entlastung stattfinden kann oder wie das anders werden kann.“

Und da sind wir draufgekommen bzw. ich, dass mir das hilft vier Tage fast voll zu arbeiten, und einen Tag komplett frei zu haben, satt eben jeden Tag so und so viele Stunden oder halbtags und das hat sich als sehr, sehr entlastend gezeigt. Weil viele Termine, Vorsorge mit den Kindern zum Zahnarzt, bestimmte Sachen zu besorgen, wenn die Geschäfte noch offen haben. Ja, da ist extrem hilfreich einen freien Tag in der Woche zu haben. Also einen freien Wochentag auch. Und ich bin wirklich sehr glücklich damit.

PETER: Das finde ich jetzt spannend, weil das würde ich nicht erwarten, wenn ich das höre, dass man entlasteter ist, wenn man 30 Stunden arbeitet, als wenn man 20 arbeitet, ich finde es interessant

PATRICIA: Ich empfinde das tatsächlich so! Es ist immer erstaunlich, dass es immer so viele Lösungen gibt, für bestimmte Probleme. Auf die man so auch gar nicht kommt, aber deswegen ist ja gut, darüber zu sprechen und auch bei anderen zu hören, wie die ähnliche Probleme lösen.

PETER: Genau und es zeigt, wie wichtig es ist, offen zu sein, für ganz neue Lösungen?

PATRICIA: Auf jeden Fall, aber auch das finde ich lustiger weise, lernt man ja von Kindern. Also, ich habe das ganz oft, dass ich dachte, jetzt habe ich dieses und jenes versprochen, jetzt schaffe ich das zeitlich nicht und dann oje, enttäusche ich mein Kind, und irgendwann habe ich anfangen mit dem Kind zu kommuniziere und sagen, Mensch ich weiß, wir wollten heute Eis essen gehen, aber das geht jetzt nicht und Kinder haben dann die erstaunlichsten und unkomplizierten Lösungen, die in meinem Kopf gar nicht möglich waren, immer.

Und das finde ich immer sehr, sehr toll auch an Kindern. Dass die für sich selber auch wissen, ach na ja, jetzt war das Eis gar nicht so wichtig, aber wenn du später morgen in die Arbeit gehst, dann können wir noch zusammen frühstücken, oder so, also das finde ich ja, ganz toll und habe auch versucht, das in anderen Bereichen. Ich neige sehr stark dazu, immer nur in eine Richtung zu denken und wenn das nicht genau so klappt, wie ich mir das vorstelle (lacht), dass ich die Krise kriege, ja und ich versuche dann immer bewusst drüber nachzudenken, wie könnte eine Lösung noch aussehen?

PETER: Spannend ja. Was war für die dich die größte Herausforderung in Bezug auf Kinder?

PATRICIA: Also ich würde sagen unterm Strich mich von Perfektionismus zu verabschieden. Und das habe ich tatsächlich sozusagen schmerzlich lernen müssen, aber die steigende Anzahl der Kinder, also ich habe das Gefühl gehabt, beim ersten Kind schafft man noch seine absurden Ansprüche, die man eben hauptsächlich an sich selbst hat zu erfüllen. Dass man sagt, wenn Kuchen, dann muss der immer selbst gemacht sein.

Und dann muss er so aussehen wie im Internet in irgendwelche Foren und dann braucht man drei Stunden und ist völlig mit den Nerven fertig, aber mit einem Kind kriegt man das noch hin. Und wenn dann ein zweites da ist, dann fällt die Torte schon kleiner aus, und man versucht das alles schon pragmatischer zu machen. Und das war so bei mir so ein Punkt, dass ich in vielen Sachen, wo ich gemerkt habe, das klingt vielleicht etwas dramatisch, aber Raubbau an mir selbst betrieben habe. Um bestimmte Sachen hinzubekommen.

 

Und wie das dritte Kind da war, da war einfach klar, das geht auf dem Niveau überhaupt gar nicht mehr weiter. Ich muss da andere Wege finden. und auch da habe ich festgestellt, die dreistöckige Torte, die verlangt auch niemand von einem, also, die Kinder verlangen das nicht und im Kindergarten macht man sich eher noch unbeliebt, weil man die anderen ja unter Druck setzt (lacht), dass die ja auch solche Torten für ihre Kinder machen, also Im Grunde ist die Lösung da ganz einfach, dass man sagt, man macht eine Backmischung oder noch schlimmer, man kauft den irgendwie fertig, und taut den auf.

Aber ja, damit muss man leben lernen, dass es nicht genau der Kuchen, sondern es is dann irgendeinen Schokokuchen. Aber am Ende, also es stirbt niemand davon, und die Kinder haben auch was davon, wenn ich nicht so extrem gestresst bin. Ich fand wirklich, die Grenze war das dritte Kind und seitdem frage ich mich bei jeder Aufgabe, die ich habe, da muss ich das wirklich machen, wie muss ich das machen und ganz oft auch, gibt es jemanden, der mir dabei helfen kann? Und, seitdem ja, klappt das viel, viel besser.

PETER: Schön, du hast gesagt vorhin, dass es ein schmerzhafter Prozess war, sich von dem Perfektionismus zu verabschieden?

PATRICIA: Auf jeden Fall!

PETER: Was genau war schmerzhaft

PATRICIA: Meine eigenen Ansprüche sozusagen loszulassen. Also auch darüber nachzudenken, wo kommen die eigentlich her. Also es ist was, was man so diffus hört, die Gesellschaft will, dass sich eine Mutter so und so verhält oder es ist was, was wirklich mir wichtig ist, also das muss ich einfach lernen zu gucken, wo kommt das her.

Ich hatte ganz viele solche Regeln im Kopf, wie was sein muss, was müssen die Kinder essen, was ist gesundes Essen, wie müssen die aufwachsen, gefördert werden, wie sieht ein Abendritual aus? Ich glaube am Allerschlimmsten war es, bevor ich Kinder hatte, da guckt man dann auf andere und denk, warum kriegen die das denn nicht hin? So schwer kann das doch nicht sein. (lachen) Und mit der Weile, also ich bin da wirklich sehr sehr viel entspannter, dass ich sage, so Dinge, die ich früher nie gesagt hätte, zum Beispiel, was weiß ich, abends, wenn die Kinder eine halbe Stunde fern gucke, das entspannt die ganze Familie, weil man in Ruhe Abendessen vorbereitet kann, und für die Kinder das so eine Art Ritual ist, so wir gucken eine halbe Stunde Sandmännchen und dann gibt es Abendessen und die kommen ein bisschen zur Ruhe, und so, da wäre ich quasi vor den Kindern entsetzt gewesen.

Solche Hilfsmittel zu nehmen und so. Und mittlerweile denke ich, man muss einfach für sich probieren, was einem guttut. Und wenn es einem guttut, dann wendet man es eben an, egal, was es da für wissenschaftliche Studie zum Fernsehkonsum oder so gibt.

PETER: Meine nächste Frage, die geht in die Richtung, dass man auf die Geburt der Kinder recht gut vorbereitet wird oder vor der Geburt, und dann kommt das Kind zu wert und dann geschehen Dinge, die man so nicht erwartet hätte. Was war das bei dir?

PATRICIA: Ja, also was ich nicht erwartet hätte, tatsächlich so an eigene Grenzen zu kommen, dass sowas wie Schlafmangel einen auch nachhaltig wirklich ja, was weiß ich, ich emotional labil oder empfindlich macht, dass man in der Küche steht und anfängt zu weinen, weil die Nudel zu weich gekocht sind oder so, darüber war ich sehr überrascht.

Ich hatte da auch ein anderes Selbstbild von mir. dass ich gedacht hätte, das stecke ich alles so weg, aber es gab dann wirklich so Phasen, wo ich gemerkt habe, ui, da ist wirklich eine Grenze, und dass ich auch lernen musste, nicht erst schön über die Grenze drüber zu walzen und es dann zu merken, sondern die schon, ich sehe die und ich tue was dagegen, mir da selber zu schaden auch.

PETER: Also so eine Art Selbstschutz

PATRICIA: Genau ja.

PETER: Gibt es eine Fähigkeit oder eine Stärke, die du durch deine Kinder entwickelt oder entdeckt hast?

PATRICIA: Also auf jeden Fall die Gelassenheit, wurde ich sagen. Das fängt man ja schon an, wenn man Kinder beobachtet, wie die irgendwie ein Klettergerüst hoch klettern oder so (alcht) da habe ich am Anfang schreckliche Ängste durchgestanden und alles, was da irgendwie so ein Meter fünfzig hoch war, kam mir dann vo, wieso Mord-Instrumente und ich habe mir aber gesagt, das ist TÜV geprüft, da ist Sand, natürlich passieren da Unfälle, aber ich kann jetzt auch nicht ewig an diesem Kind kleben und habe dann für mich so Sachen gesagt, gut, ich gucke bei manchen Sachen bewusst weg und dann bin ich automatisch gelassener, als wenn ich die ganze Zeit (lacht)in die Richtung gucke.

Das finde sich in ganz vielen Bereichen in meinem Leben wieder, dass ich das wirklich gelernt habe. Also ich habe manchmal noch so diesen Impuls, dass ich so alles krampft und ich denke „oh Gott oh Gott, das muss irgendwie so und so sein.“ Doch dann merke ich, nee, das muss gar nicht so sein, das kann auch ganz anders sein und das ist trotzdem gut. Das ich dann ein Stück zurück, sozusagen, gehe oder eben weggucke und sage, so jetzt läuft das von alleine und das wird trotzdem gut werden

PETER: Wenn ich dir so zuhöre, dann fällt mir einfach auf, du hast in große Entwicklung gemacht, persönlich, in eine Richtung, die sich für mich sehr, sehr schön anhört, ab es ein Buch, ein Hörbuch oder etwas, was dir dabei geholfen hat, diese Schritte zu gehen?

PATRICIA: Ja, es gibt von, ich glaube er ist selber Kinderzart, von dem Renz-Polster, zwei Bücher, die ich sehr gerne gelesen habe, weil mir immer hilft zu verstehen warum Kinder sich auf eine bestimmte Art und Wiese verhalten. ich bin eigentlich ein sehr starke Kopfmensch, und habe immer dann Probleme, wenn ich nicht verstehe, was da vor sich geht und wenn ich ein Buch eben habe, dass mir das sehr gut erklärt und eben sagt, das ist z.B. biologisch sinnvoll, dass ein Kind nicht durchschläft, weil es sozusagen durch die Evolution nichts sinnvoll ist, sich hinzulegen und acht Stunden also einfach zu schlafen, weil das auch gefährlich sein kann, also von den Urmenschen sozusagen, dann fällt auch sozusagen jede Verzweiflung und ärger von mir ab, den ich vielleicht andernfalls hätte, da ist von diesem „Mein Gott warum schläft diese Kind nicht“ ändert sich das, „Mensch, das ist ja ein Lebewesen, was sehr gut vorbereitet ist, auf die Welt, was sich logisch und richtig verhält“ und ich muss halt lernen damit umzugehen, aber an sich ist es genau das richtige, was das Kind tut, nämlich alle zwei Stunden aufwachen und sich vergewissern, die Welt ist noch da, meine Eltern sind noch da, und alles ist gut.

PETER: Und das konntest du aus dem Buch für dich rauslesen?

PATRICIA: Ja, ja ich fand, da waren sehr viele Sachen richtig toll erklärt, was auch so zermürbende Sachen sind, wie irgendwie essen, warum Kinder bestimmte Sachen am Anfang nicht essen wollen, warum die eine Krise kriegen, wenn die Sauce auf die Erbsen läuft oder so, also, da fand ich waren viele Beispiele sehr schön erklärt. Ich habe ihn selber auch mal bei einem Vortrag gesehen und fand ihn sehr eindrücklich, weil er so darüber erzählt, das kann ich sehr empfehlen.

PETER: Ok, meine nächste Fragegeht in die Richtung Erziehung, wie habt ihr das gemacht oder wie macht Ihr das, wenn ihr verschiedene Ansichten zur Erziehungsfragen oder Stil habt? Wie löst ihr das?

PATRICIA: Also, da kann ich vielleicht das Positive sagen, ich habe mittlerweile einen Partner, mit dem das sehr gut klappt, also, dass wir wirklich, wenn manchmal weiß man das ja gar nicht, das ergibt sich in dem Moment, wo ein Kind eine Frage stellt, oder sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält, da kann es gut mal sein, dass ich was anfange zu sagen oder mein Partner anfängt, was zu sagen, was eben nicht der Meinung entspricht von dem jeweils anderen. und wir haben uns so geeinigt, dass man das erstmal, also nicht in dem Moment sozusagen gleich irgendwie widerspricht, sondern versucht, dass über einen Blick zu signalisieren, dass man da nochmal Gesprächsbedarf hat und dann wirklich ohne die Kinder einfach zu sagen in dem Moment hätte ich das so und so entschieden, aus den und den Gründen, erzähl du doch mal, warum du es eben anders entschieden hast. Da ist auch ganz oft möglich, dass man sich doch in der Meinung entgegenkommt.

Dass man von vielleicht wirklich völlig konträren Positionen letztendlich sieht, ach was der andere sich dabei gedacht hat, ist auch nachvollziehbar und richtig, ich finde es viel leichter sozusagen, von seiner eigenen Position dann auch abzurücken oder halt tatsächlich, wenn man die guten Argumente hat, dass es dann der andere ist, der sagt, da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht, oder, da fehlt eine Information oder so

PETER: Das bedingt ja, dass du in der Situation selber, wenn du merkst, dass dein Partner was macht, wo du nicht unbedingt gut findest oder anders machen würdest, das bedingt ja auch, dass du eine gewisse Art Zurückhaltung übst, dass du das erstmal für dich behältst. Wie gelingt dir das? Oder hast du da einen Tipp, einen Trick?

PATRICIA: Ich weiß nicht, ob man da einen Trick hat, also, ich würde da quasi dazu ermutigen, weil ich selber die Erfahrung gemacht habe, dass es hinterher gar nicht so katastrophal ist, es sind ja meistens wirklich kleine Sachen und keine komplett grundlegenden Sachen, die man ah hoc sich dran reibt und selbst wenn das so ist, kann man auch gemeinsam auf das Kind wieder zugehen, bei größeren Kindern kann man sagen ok, wir haben gestern so und so gesagt, aber wir haben da nochmal nachgedacht und aus den und den Gründen würde wir unsere Meinung so und so ändern. Also dieses schlimme, warum man in dem Moment unterbricht oder das stoppen will, das tritt eigentlich nicht ein. Diese Katastrophen kommen eigentlich nicht also man kann ja durch Kommunikation alles noch so gerade rücken.

PETER: Ich frage deswegen, weil ich manchmal bei mir selber auch erlebe, je nachdem was gerade passiert, oder was da mir gegen den Strich läuft, dass es mir manchmal schwerer und manchmal einfacher fällt. Das zurück zu halten und darum frage ich nach, ob du einen Tipp hast, aber du hast es sehr gut erklärt, finde ich. Meine letzte Frage wäre, wie habt ihr die Rollenaufteilung du hast gesagt du arbeitest diese 30 Stunden, dein Partner arbeitet hochprozentig?

PATRICIA: Ja, ja, allerdings freiberuflich, das gibt schon etwas mehr Flexibilität als wenn beide eben angestellt sind, dazu muss ich sagen, das mein Arbeitgeber wirklich auch sehr familienfreundlich ist, also es kommt nicht drauf an, dass ich um neun im Büro bin, es sei denn, ich habe Kundentermine, aber die kann mich mir selber organisieren und auf der anderen Seite, der Partner auch so gewisse Flexibilität hat, glaube ich, ist es leichter auszugleichen, als wenn beide einen Angestelltenjob, den typischen nine to five job. Wir können da viel ad hoc entscheiden.

PETER: Und meine endgültig letzte Frage, auch wenn ich vorhin die letzte Frage als letzte angekündigt habe. Gab es eine Situation, wo du dich selber gefragt hast, ist es bei anderen auch so?

PATRICIA: Also tatsächlich frage ich mich das ganz ganz oft. Und ich habe für mich selber auch festgestellt, das ist, warum ich auch wirklich sehr, sehr gerne blogge, ist, wenn man solche Situationen aus dem Alltag, in denen ich mich das frage, in irgendeiner Form eben schriftlich in die Öffentlichkeit, ins Internet eben gebe, dass dieser Austausch ganz überraschend ist, ich habe das immer wieder, dass so bestimmte Dinge, bei denen ich denke, das bestimmt nur mein Problem und ich darüber schreibe, plötzlich ganz viele zustimmen und sagen Mensch, das ist so toll, dass du das schreibst, bei mir geht es ganz genauso.

Und alleine dieses geteilte Leid sozusagen hat was ganz Persönliches, dass ich mir nicht vorstellen muss, ich bin die einzige Mutter auf der ganzen Welt, die an dieser Sache scheitert, sondern dann zu sehen, „ach guck mal, das geht ganz vielen Menschen so, und das wird auch wieder gut oder es gibt Lösungen, auf die ich so nicht komme, oder es gibt vielleicht auch mal keine“, aber man lernt damit zu leben. fertig. Das finde ich sehr bereichernd, sich auszutauschen.

PETER: Das würde ich gerne als Schlusssatz stehen lassen, weil das ist genau das, warum wir diese Interviews machen.

PATRICIA: Ja, sehr schön, deswegen hat mir das auch so gut gefallen.

PETER: Patricia, auf jeden Fall vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, deine Erfahrungen mit deinen Kindern mit uns zu teilen

PATRICIA: Sehr gerne