„Also, die massivste Veränderung in der Ja, also für mich war es wirklich so, dass ich durch meine Tochter gemerkt habe oder gelernt habe, ich muss flexibel sein in meinen Ansprüchen.
Aber jetzt endlich zum Podcast!
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Spotify. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenAbonnieren Sie unseren Podcast
Buchempfehlungen von Melanie Mittermeier:
Mag. Sabine Weiss/Herzmut Beziehungspraxis
Ich biete psychologische Beratung bei Liebeskummer, Beziehungsfragen und Singleleben. Auf meiner Website findest du neben vielen Blogs auch einen Podcast und Videos.
Wenn du Hilfe bei Liebeskummer brauchst, findest du einen Gratiskurs, der dich 7 Tage lang begleitet und mein Buch “Herzb(r)uch Erste Hilfe bei Liebeskummer” online.
Ich lese lieber:
P: Mein heutiger Interviewgast bei elternpodcast.de ist Sabine aus Wien. Hallo Sabine.
S: Hallo Peter.
P: Wien ist übrigens einer meiner Lieblingsstädte, also fast beneidenswert, dass du dort leben darfst.
S: Ja, es ist wirklich schön da.
P: Erzähle uns doch erst mal, wer du bist, was du machst und wie viele Kinder du hast.
S: Okay. Also ich bin die Sabine Weiss, und ich komme aus Wien. Ich bin 42 Jahre alt. Ich bin selbstständig als psychologische Beraterin, habe eine Beziehungspraxis, die sich „HerzMut!“ nennt.
Mein Beratungsschwerpunkt ist Liebeskummer und alle Beziehungsfragen, vor allem auch die Frage „Wie komme ich als Single zurecht? Wie komme ich mit meinem Single-Leben zurecht? Wie komme ich wieder in die neue Partnerfindung hinein?“.
Da gibt es einen Blog, da gibt es einen Podcast, da gibt es ein Buch, da gibt es Videos, ganz viel drum herum. Das ist so die berufliche Ebene.
Ich bin Mama seit etwas mehr als einem Jahr, wobei meine Tochter zwanzig Monate alt ist. Das ist ein bisschen eine zeitliche Differenz und die erklärt sich daraus, dass ich ein Kind bei mir aufgenommen habe. Also ich bin Pflegemama und habe ein Mädchen – sie war damals fünf Monate alt – aufgenommen, um sie großzuziehen.
Also es ist Dauerpflege angedacht, sprich, bis zur Volljährigkeit, ganz normal halt wie man halt ein Kind groß zieht. Und ja, das ist meine Tochter.
P: Das heißt, du hast dich bewusst entschieden, ein Kind zu adoptieren oder aufzunehmen. Also ist das ein Unterschied?
S: Ja, es ist ein bisschen ein Unterschied, weil es in dem Fall so ist, dass die Obsorge liegt beim Jugendamt beziehungsweise hat das Jugendamt die Obsorge an mich übertragen. Im Unterschied zur Adoption ist es so, dass nach wie vor Kontakt zur leiblichen Mutter besteht. Der Vater ist in dem Fall unbekannt.
Also es besteht nach wie vor Kontakt zur Mutter, das ist auch so gewünscht, und das bleibt einmal im Monat. Solange die Mutter das halt aufrecht erhält, muss man auch dazu sagen, bleibt das so. Und das ist ein bisschen so der Unterschied zur Adoption, also auch dass der Name zum Beispiel der Geburtsname ist, sprich, auch der Name der leiblichen Mutter ist und eben nicht mein Familienname ist.
P: Was hat sich durch deine Tochter in deinem Leben verändert?
S: Alles und irgendwie doch nicht so viel, wie man vielleicht annehmen kann. Also was ich, glaube ich, wo sich die Unterschiede am krassesten bemerkbar machen, sind in der Freizeitgestaltung, muss man ganz klar sagen. Also sich geschwind zusammenpacken, spontan am Abend auf einen Kaffee fahren, allein schon beginnend damit, dass ich immer mit der Vespa gefahren bin. Die verstaubt gerade in der Garage, was mir wahnsinnig leid tut und ich nutze jede Gelegenheit, wenn ich mal alleine unterwegs bin, sie zu fahren. Aber alleine zu sagen, also Nummer 1, alles geht gar nicht mehr, ja?
Also ich nehme meine Tochter am Abend hin und wieder mal mit, wenn ich mich mit Freundinnen treffe und dann sitzen wir, also jetzt im Sommer meine ich, wenn wir im Freien sitzen können. Es ist dann trotzdem so, dass es spätestens um neun, halb zehn nicht mehr machbar ist, weil sie dann so müde ist und so lästig wird, dass wir dann heimfahren, wo ich früher sage, ich bin bis Mitternacht gesessen, ja? Also das hat sich massiv verändert.
Man muss vielleicht auch dazu sagen, ich bin alleine. Ich habe diese Entscheidung… Also ich war Single gerade, wie sich das ergeben hat, also ich habe diese Ausbildung begonnen. Man muss sich ja da bewerben und eine Ausbildung dafür machen und die dauert ungefähr ein Dreivierteljahr und ich habe mir gedacht, ich mache das jetzt mal, mal schauen, was sich bis dahin ergibt.
Und dann war das Leben oder das Kind einfach schneller als der Mann und insofern, also nur vielleicht da noch als Hintergrund, es hängt halt wirklich alles an mir und das macht es halt eben in der Freizeitgestaltung jetzt zum Teil einfach sehr, sehr anders. Ja, also ich habe jetzt nicht mehr diese Freiheit, zu gehen und zu kommen wann ich möchte.
P: Und wie geht es dir damit?
S: Also was jetzt das echte Partyleben betrifft, muss ich ehrlich sagen, meine Güte, ich bin 42, ich habe das jahrzehntelang gehabt. Das vermisse ich im Moment nicht großartig und wenn, dann gönne ich mir alle paar Wochen mal einen Babysitter oder sie schläft dann bei der Omi, die mir sehr hilft.
P: Also du hast schon ein Netzwerk, wo dir hilft?
S: Ja, um Gottes Willen. Ich würde es ohne das überhaupt nicht schaffen.
P: Okay.
S: Also ich wäre völlig aufgeschmissen ohne ein Netzwerk. Ja, das war eigentlich das Wichtigste überhaupt für mich, das aufzubauen.
P: Das denke ich, wenn man die Verantwortung alleine trägt, wie es viele Alleinerziehende machen, das ist schon auch eine große Belastung.
S: Ja, ist es. Wobei umgekehrt wieder, meine Freundinnen sagen immer zu mir: „Meine Güte, ich bewundere dich so, wie schaffst du das bloß als Alleinerziehende mit dem Kind?“. Ich sage dann immer: „Naja, aber du warst auch“. Weil die alle geschieden sind, sage ich immer: „Ja, aber du warst doch auch alleinerziehende“, und dann sagt sie, „Ja, aber nicht in den ersten Jahren“.
Und das verstehe ich, andererseits ist es für mich so, ehrlich, ich bewundere alle Frauen, die da eine Partnerschaft parallel dazu auch noch schaffen. Also jetzt mittlerweile nach einem Jahr, nach einem Jahr und ein paar Monaten habe ich das Gefühl, ich bin jetzt so routiniert und habe es so im Griff, jetzt wäre ich auch wieder offen für eine neue Partnerschaft, die sich da noch dazu hineinfügt, ja?
P: Also es hat jetzt praktisch ein Jahr gebraucht, um sich aneinander auch zu gewöhnen. Habe ich das jetzt richtig verstanden?
S: Nein, also wir zwei…
P: Oder die Abläufe.
S: Wir zwei haben uns, glaube ich, schneller aneinander gewöhnt, wobei auch nicht so schnell, wie man das glauben möchte. Aber nein, ich meine tatsächlich so dieses innere Gefühl für mich als Mama und auch als selbstständige Unternehmerin, darf man ja auch nicht vergessen.
Und für mich als Frau einfach das Gefühl zu haben, ich habe jetzt wieder so quasi meine Murmeln beisammen, wie man bei Peter Pan so schön sagt. Ja, ich habe jetzt das Gefühl, ich habe im Großen und Ganzen eine Routine.
Ich weiß, wie ich es organisiere. Ich weiß, wie ich mich freispielen kann. Ich habe Notfallszenarien entwickelt für den Fall, dass das Kind einen Tobsuchtsanfall kriegt. Wobei, das kriegt sie nicht, aber wenn, dann kriegt sie eher einen Weinkrampf oder so, weil sie gerade wegen irgendwas verzweifelt ist. Also da einfach nicht mehr dieses Gefühl zu haben, ständig überfordert zu sein.
P: Ja. Okay.
S: Ja und das war am Anfang sehr, sehr stark und das ist jetzt einfach nach einem Jahr so, dass ich sage: „Nein, Kind geht es gut, Mama geht es gut, die Wohnung ist auch halbwegs im Griff wieder mit Aufräumen und so“, ja? Jetzt ist es gut.
P: Du hast vorhin gesagt, du bist selbstständig.
S: Ja.
P: Wie bringst du das mit deinem Arbeitspensum zusammen, also praktisch Mama, alleinerziehend, zwanzig Monate altes Baby, ein Geschäft nebenher?
S: Ja. Ich habe mir, also ich habe meine Tochter vier Monate nachdem ich sie bekommen habe, begonnen, bei einer Tagesmutter einzugewöhnen. Am Anfang mit, glaube ich, zwölf Stunden die Woche, also gerade mal so, dass du sagst, drei Vormittage mit vier Stunden.
P: Ja.
S: Und habe das ganz langsam ausgedehnt. Im Normalfall ist es so, dass sie jetzt dreißig Stunden die Woche Montag bis Donnerstag bei einer Tagesmama untergebracht ist und ich in diesen dreißig Stunden realistisch gesehen zwanzig Stunden wirklich arbeite und zehn Stunden für drum herum draufgeht. Das heißt, ich arbeite definitiv weniger als vorher im Moment.
Sie ist in Spitzenzeiten, ich habe Gott sei Dank eine sehr flexible Tagesmama, also jetzt im Sommer, ich erlebe jetzt gerade das erste Mal diese Problematik, wenn die Kinderbetreuung wegfällt, weil die Tagesmama jetzt einen Monat auf Urlaub ist. Und da konnten wir uns dann so einigen, dass sie vorübergehend vierzig Stunden betreut wird, damit ich diesen Monat ein bisschen abfangen kann.
P: Okay.
S: Aber es ist natürlich definitiv so, dass ich sage, die reine Arbeitszeit ist weniger. Ich habe allerdings, muss ich dazu sagen, das Gefühl, ich arbeite mehr als vorher, weil ich viel strukturierter bin. Also es ist wirklich so, dass ich sage, wenn ich meine Tochter dann abhole, also ich arbeite nicht, wenn meine Tochter zu Hause ist.
P: Ja.
S: Das funktioniert nicht. Ich weiß nicht, ob das in anderen Familien funktioniert. Bei uns funktioniert das nicht. Dann werde ich wahnsinnig ungeduldig, mein Kind wird ungeduldig. Ich kriege die Konzentration, die ich brauche, nicht, wenn sie da ist. Ja.
P: Also das heißt, du bist praktisch jetzt dadurch, dass du dich konzentrieren musst auf bestimmte Zeiten, viel fokussierter auf die Aufgabe?
S: Richtig. Richtig, ich bin viel, viel fokussierter als vorher. Was mir sehr zugutekommt, ist die Tatsache, ich war vorher schon immer sehr gut in Selbstorganisation. Das hat sich jetzt noch mal einen Ticken verschärft, aber die Konsequenz ist jetzt natürlich eine andere.
Also früher hat es mir schon passieren können, dass ich mal in der Früh kurz bei Facebook einsteige und auf einmal ist zwei Stunden später, weil dann findest du da einen Blog von einem Kollegen, der interessant ist, und dann kommentierst du dort und dann findest du dort noch etwas und dann fällt dir ein: „Ah, ich wollte doch auf Amazon noch etwas schauen“.
So, das sind Dinge, wo ich jetzt nach fünf Minuten wirklich merke: „Habe ich jetzt für das wirklich Zeit? Hat das jetzt wirklich die Priorität? Nein, dann weg“. Ja.
P: Das war eine super, wie soll ich sagen, eine gute Eigenschaft, die sich da entwickelt hat, weil das ist das, was sich auch viele wünschen, fokussierter arbeiten. Spannend. Was war für dich die größte Herausforderung in dem Mutter-Kind-Dasein in den letzten Monaten?
S: Also die Schwierigkeit, die vielleicht eher jetzt wirklich auf meine spezielle Situation zutrifft, ist die, ich habe ja jetzt nicht diesen Hormonrausch wie nach einer Geburt. Du lernst dieses Kind kennen, hast vier Wochen Zeit – in unserem Fall waren es vier Wochen – wo du dich ein paarmal triffst und aneinander gewöhnst und dann zieht dieses Kind bei dir ein und du bist von heute auf morgen 24 Stunden 7 Tage die Woche Mama, ja?
Das heißt, an sich die neun Monate, die andere haben, sind bei mir schon mal nur vier Wochen gewesen und natürlich, ich habe mich bewusst für meine Tochter entschieden, trotzdem ist es jetzt nicht so, dass du hergehst und dann hast du dieses Kind in der Hand und du denkst dir sofort: „Oh mein Gott, ich liebe dich über alles“, ja? Das hat Zeit gebraucht.
P: Wie lange hat das gebraucht, so was würdest du sagen?
S: Oh, gute Frage. Das ging dann relativ rasch und jedes Mal, wenn ich mir gedacht habe: „Oh, jetzt liebe ich meine Tochter“, bin ich dann Wochen später darauf gekommen, „Nein, jetzt“, ja? Weil das Gefühl, ich habe das Gefühl, also auch Liebe an sich definiert sich ja für mich gerade neu. Ja und ich merke einfach, wie jedes Mal, wenn die Zeit vergeht, wie es noch tiefer wird, insofern ist es für mich schwer zu beantworten, weil ich habe mir sicher schon nach drei Wochen gedacht: „Oh mein Gott, ich liebe dieses Kind“, ja?
Aber dann, ich weiß, im September kam noch mal so ein Schub, wie da noch ein bisschen diese Entlastung mit der Tagesmutter kam, wo ich das erste Mal wieder Laufen gehen konnte und auch mal wieder ein bisschen Zeit für mich hatte, ja?
P: Also ist es praktisch am Wachsen, so wie ich das verstehe.
S: Ja, es ist definitiv am Wachsen und das sind eben zwei Dinge. Zum einen war ich ein bisschen überrascht, dass es eben am Anfang halt nicht ganz so war. Oder überrascht? Nein, eigentlich ist es wahrscheinlich eh normal, aber was mich im Nachhinein überrascht, ist vielleicht eher so dieses, dass das gar nicht aufhört und das man wirklich irgendwann dieses Gefühl hat, es Platz einem das Herz vor lauter Liebe zu diesem Kind, ja?
P: Schönes Bild, ja.
S: Und was eben parallel dazu war, ist, dass eben am Anfang auch diese Überforderung bei mir so groß war.
P: Also Überforderung in was?
S: Überforderung einfach mit, ich kenne dieses Kind noch nicht, weil ich bin quasi ja nicht mit diesem Kind mitgewachsen, ja? Jetzt kann die mit fünf Monaten, hatte schon Blähungsprobleme, hat von heute auf morgen also natürlich nicht durchgeschlafen, obwohl mir alle gesagt haben, sie schläft durch.
P: Ja, ja.
S: Hat kurz darauf schon auch zu zahnen begonnen und es war einfach so alles, ja? So, wenn sie halt geweint hat, habe ich überhaupt nicht gewusst: „Was ist los?“. Das hat natürlich eh jeder, ja? Aber für mich war es halt auch so, dass ich mir gedacht habe so: „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott“, ja?
P: Und wie bist du damit umgegangen?
S: Schlecht.
P: Also ich sage mal, das ist ja wirklich eine Stresssituation, das Kind schläft nicht, hat Blähungen, es kriegt Zähne.
S: Ich war wirklich total überfordert. Ich habe auch geweint. Ich wurde auch wahnsinnig. Also das ist sicher auch ein Punkt, was ich nicht so erwartet habe, wie sehr mich meine Tochter an den Rand meines Könnens und meiner Geduld und auch meiner Emotionen vor allem gebracht hat. Also ich kann mich wirklich an Momente erinnern, wo ich mir gedacht habe: „Ich knall dieses Kind jetzt an die Wand“.
Natürlich in der Sekunde mit: „Du machst es nicht“, und hast auch in der Sekunde die Schuldgefühle und das ist auch wahnsinnig schwierig. Also ich bin da ganz kurz mal auf die Idee gekommen, ins Netz zu gehen und mich darüber schlau zu machen. Bad idea. Macht das nicht.
Geht nicht ins Netz, weil Frauen, die wirklich zugeben, dass sie mit ihrem Kind überfordert sind, werden dort nur gebasht, ja? Also für mich war es extrem hilfreich, ich habe mehrere Freundinnen mit fast erwachsenen Kindern und das sind sehr entspannte Frauen, sehr lässige Frauen und die haben einfach gesagt: „Du, Biene, das ist normal, atme durch. Jeder der behauptet, dass er seine Kinder nicht hin und wieder mal echt, dass die ihn zur Weißglut treiben, lügt einfach“. Ja.
P: Genau, das ist auch der Grund, warum es diesen Podcast gibt.
S: Ja. Ja, ja. Also wirklich: Alle da draußen, es ist völlig normal. Weil ich bin wirklich, ich kann mich erinnern, wo ich mir gedacht habe das erste Mal in meinem Leben, ich verstehe rein von der Emotion her, ich verstehe, wie es Menschen geben kann, die dann so ausrasten, dass sie etwas Schlimmes tun. Einfach nur aus der Emotion heraus. Ich habe jetzt Gott sei Dank diese Schranke drinnen, ja? Aber ich glaube, wenn jemand einfach diese Schranke halt nicht hat, aus welchen Gründen auch immer, da kommt eine Emotion hoch, eine Verzweiflung gemischt mit Wut.
Das war für mich wirklich so und vor allem, das war für mich auch so schlimm, muss ich ehrlich dazu sagen, weil ich mir immer gedacht habe: „Ich bin relativ entspannt, ich bin kein wütender Mensch“. Wirklich nicht, ich bin das nicht. Ich bin auch nicht lange verzweifelt. Ja, also grundsätzlich bin ich ein sehr positiver, energetischer Mensch.
Ich habe nicht gewusst, dass ich diese Emotion habe und ich war total erschüttert und sofort mit Schuldgefühlen überlastet, von wegen, ich darf so nicht empfinden und ich darf so nicht denken. Und das ist mir, glaube ich, auch wirklich ein Anliegen, das so jetzt rauszubringen, auch auf die Gefahr hin, dass da draußen einige sitzen, die eben dann sagen: „Meine Güte, wie kann man so etwas sagen“.
Aber ganz ehrlich: Ja, es war so. Ja, es war einfach so, dass ich mir gedacht habe, ich schaffe es nicht, ich weiß nicht wie, ich bringe dieses Kind nicht zum Schlafen und beim fünften Mal aufstehen in der Nacht und nichts hat geholfen. Ja.
P: Und wie bist du mit dieser Überforderung und mit dieser Verzweiflung, wie bist du damit umgegangen? Also wie hast du es wieder hingekriegt, sage ich jetzt mal?
S: In der Sekunde hat es mir manchmal geholfen, also ich habe vor Jahren zu rauchen aufgehört, aber ich bin dann manchmal wirklich für drei Minuten am Balkon rausgegangen und habe so tief geatmet, als würde ich noch rauchen.
P: Ah, okay. Ja, also wie so eine Auszeit kurz genommen.
S: Ja, ich habe es einfach nicht mehr, ich musste weg von dem Schreien auch, weil mir das einfach in den Ohren so wehgetan hat dann schon. Meine Tochter kann sehr laut sein. Also ich musste wirklich weg, weil ich mir auch gedacht habe, ich weiß nicht, was sonst passiert.
Ja und dann bin ich einfach rausgegangen und habe mir gedacht, ob sie jetzt noch drei Minuten länger schreit oder nicht ist jetzt auch schon egal. Und dann bin ich rausgegangen und habe mal wirklich tief, tief, tief geatmet, habe ein Glas eiskaltes Wasser getrunken und dann bin ich wieder zurück. Und irgendwann ist ja der Punkt da, dass du weißt, irgendwann muss das Kind im schlimmsten Fall vor Erschöpfung einschlafen. Du musst nur solange durchhalten.
P: Also so wie ich das so höre von dir, ist in so einem Augenblick wichtig, einfach auch für sich selber zu schauen, dass man sich wieder fängt aus diesen Emotionen.
S: Ja, ja. Und das ist einfach auch das, was ich heute gemeint habe vorher schon mit Notfallplänen. Also es ist zum Beispiel so, ich war nie ein großer Fan von diesen Quetschies. Weißt du, was Quetschies sind?
P: Nein. Nein.
S: Ich weiß auch nicht, wie das in Deutschland oder in der Schweiz heißt. Da gibt es diese Beutel, in denen Fruchtmus in so kleinen Portionen ist.
P: Ja.
S: Die kann man aufschrauben, die kann man – meine Tochter ist ja jetzt schon zwanzig Monate alt, also die kann das ja schon – sich quasi in den Mund stecken und dann lutscht man Apfelmus, Erdbeermus, was auch immer, halt zerquetschte Bananen und so weiter aus dem raus.
P: Ja.
S: Ich bin kein großer Freund von dem. Ich koche so etwas lieber selber und frisch, aber meine Güte, meine Tochter liebt das. Und wenn die einen Anfall bekommt, weil sie jetzt nicht aus dem Schwimmbad weg will oder weil sie nicht ins Auto einsteigen will oder weiß der Kuckuck was, es hilft und sie wird nicht daran sterben, dass es mal nicht frisch ist, sondern aus diesem Beutel rauskommt.
Fertig. Ja, das meine ich mit Notfallmaßnahmen, ja, dass man einfach manchmal wissen muss auch: „Pfeif drauf auf deine Werte und wie wichtig es dir ist, dass dieses Kind frisch und Bio und weiß ich nicht was isst, es darf auch manchmal einfach das sein“. Oder dass man, wenn wirklich alle Stricke reißen, auch mal bei McDonald’s hereinrauscht und dort einen Orangensaft kauft und Pommes Frites und sagt: „Ja, ich klopfe ein bisschen das Salz runter, aber iss es jetzt meinetwegen, du wirst das aushalten, wenn du das einmal im halben Jahr kriegst“.
P: Ja, das ist ein ganz guter Tipp, also sich einen Notfallplan zu machen, bevor die Not kommt. Nein, das finde ich wirklich gut. Das hat so noch niemand so explizit gesagt. Finde ich wirklich, finde ich gut.
S: Ja, also für mich war es wirklich so, dass ich gemerkt habe oder gelernt habe auch durch meine Tochter, ich muss flexibel sein in meinen Ansprüchen, eben so wie ich jetzt sage. Wenn ich selber zu Hause koche und ich habe Zeit und ich bin gut drauf und alles, dann koche ich frisches Kartoffelpüree und dann gibt es frische Bio-Karotten und bla, bla, bla. Und dann gibt es Tage, da habe ich acht Stunden durchgearbeitet, es war extrem intensiv, ich hatte Coachings, ich habe vielleicht einen Podcast auch aufgenommen, was auch immer, dann bin ich einfach fertig am Abend und dann darf es eben auch mal…
Also ich weiß zum Beispiel, mein Kind liebt Würstchen, also Frankfurter heißt das, glaube ich, bei euch. Oder Wiener Würstchen heißt es ja in Deutschland lustigerweise und wir sagen ja Frankfurter. Das ist etwas, mit dem kriege ich mein Kind immer zum Essen. Ja und das ist das, was ich meine. Manchmal ist es einfacher zu sagen, ich schraube jetzt meine Ansprüche runter für heute, weil heute ist einfach ein Tag, wo ich selber schon am Zahnfleisch gehe, wie man in Wien so schön sagt, da darf es jetzt auch mal etwas anderes sein.
P: Du hast vorhin erzählt, dass dich deine Tochter ab und zu mal an die Grenzen deiner Selbst bringt.
S: Ja, ja.
P: Und das ist ja so immer, wenn man an die Grenzen seiner Selbst kommt, entwickelt man neue Fähigkeiten und Stärken. Was ist das bei dir, wo du jetzt so im Nachhinein sagen würdest: „Das habe ich praktisch durch mein Kind, das ist anders geworden bei mir“? Welche Fähigkeit oder welche Stärke?
S: Ich glaube tatsächlich, diese Geschichte mit den Ansprüchen. Ich habe da ein ganz konkretes Beispiel. Also ich habe in meiner, wir haben eine ganz große Wohnküche mit einer Hochglanzküche. Jede Mama da draußen mit Kindern wird in dem Moment schon wissen, worum es geht, nämlich, diese Küche ist, seit ich dieses Kind habe, nie wieder sauber gewesen, weil sie einfach gehen lernt. Ja und zuerst hast du die Fingertapser drauf, weil sie gehen lernt, und dann hast du die Fingertapser drauf, weil sie alles aufmachen möchte.
Und das wird noch schlimmer, weil jetzt geht sie mit der Banane in der Hand herum und so weiter. Genauso ist es bei der Terrassentür hinaus, dass ich sage, das Fenster ist seit einem Jahr nicht mehr sauber, ja? Das sind Dinge, ich schwöre dir, die hätten mich früher in den Wahnsinn getrieben und ich hätte sie sofort weggeputzt. Ja und jetzt ist es so, dass ich mir denke: „Geht noch eine Woche, wenn es sein muss“.
Weil es einfach nicht, das ist nicht mehr drin, ja? Also ich schaue, dass die Arbeitsflächen wirklich sauber sind, das ist mir wichtig, weil sie auch viel herumbatzt und alles. Da schaue ich wirklich drauf, dass es sauber ist, aber wirklich eben dieses Glas von der Terrassentür, ich habe das am Anfang ein paarmal geputzt. Das nutzt nichts, weil das ist innerhalb von einem Tag wieder genauso verschmiert und dreckig oder soll es halt mal drei Tage dauern. Und das ist wirklich jetzt so, dass ich sage, ich sehe es gar nicht mehr und das ist jetzt für mich auch in Ordnung, ja?
P: Also weniger Ansprüche an sich selber.
S: Weniger Ansprüche jetzt wirklich, was den Zustand meiner Wohnung betrifft. Und das ist mir sehr wichtig, das muss man auch dazu sagen. Ich weiß, es gibt Leute, die sich denken: „Die spinnt doch“, ja? Aber für mich war das ein sehr hoher Wert, weil ich mir immer gedacht habe, wie außen so innen, ja?
P: Ja.
S: Wenn es außen schön aufgeräumt ist, ist es innen auch gut, ja? Und mittlerweile habe ich gelernt: „Nein, es kann auch innen gut sein und außen Chaos“.
P: Okay. Sehr schön.
S: Ja.
P: Hattest du in der Zeit Momente, wo du sagst: „Da bin ich an meine Grenzen gekommen“, gibt es da ein Buch oder ein E-Book oder irgendein Blog, wo dir geholfen hat oder wo du dir so Tipps geholt hast?
S: Nein, aber ich muss gestehen, ich habe dich und die Alexandra Widmer zu dem Zeitpunkt ja noch nicht gekannt. Also ihr startet ja jetzt und die Alexandra Widmer macht ja auch so etwas zum Thema „Stark und Alleinerziehend“. Aber ich habe ein bisschen gegoogelt, habe ich ja vorher schon erzählt, aber es ist ja so, du googelst ja nur in verzweifelten Situationen.
Das sind Extremsituationen und meistens, wenn du wirklich jemanden findest, der da seine Not schildert, kommen auf diesen einen Menschen, der da wirklich offen und ehrlich ist, zehn Leute, die den zur Schnecke machen und runtermachen und so nach dem Motto: „Du bist ja selber schuld, du hast dir das ausgesucht oder wie kannst du so etwas sagen, dein Kind ist doch das Liebste auf der Welt und so Leute wie du sollten keine Kinder haben“. Nein, ich halte mich von dem fern.
P: Okay.
S: Also mir hat wirklich geholfen, ich habe einfach wirklich drei Mütter in meinem Freundeskreis, wo ich mir immer gedacht habe, wenn ich jemals Mama werde, dann möchte ich mir von denen etwas abschauen, weil ich einfach gefunden habe, die sind eben nicht so übertrieben. Das sind jetzt keine Glucken. Das sind Frauen, die ihre Kinder sehr freiheitsliebend erzogen haben. Das mag ich sehr. Und das sind alles gut geratene Kinder, weil die eben alle schon sechzehn bis achtzehn sind mittlerweile und ich kenne die, seit sie klein sind, ja? Also wo ich das mitverfolgen konnte, dass ich sage, das war auch gut, das zeigt sich jetzt, ja?
P: Und du hast auch Austausch mit ihnen.
S: Richtig und die waren es einfach so.
P: Ah, okay.
S: Wo ich mir gedacht habe, das hat mir extrem geholfen. Oder zum Beispiel meine Mutter, also die Oma, meine Mutter, die in manchen Sachen wesentlich mutiger war einfach als ich. Also ich erinnere mich an eine Situation, wo ich bei meiner Mama auf Besuch war und mein Kind war damals noch ausschließlich auf Flaschennahrung und meine Mutter zückt eine Essiggurke und schiebt das meiner Tochter in den Mund und ich denke mir: „Bist du wahnsinnig?“. Weil ich natürlich in meinem Hinterkopf sofort: „Milch, Essiggurke, saurer Magen, kein Schlaf“, ja?
P: Ja, ja, ja.
S: Und tatsächlich ist es so, dass mein Kind bis heute Essiggurken über alles liebt und den Kühlschrank aufmacht, um sich Essiggurken zu holen.
P: Spannend, ja.
S: Aber so, ja? Also klar, meine Mama hat vier Kinder groß gezogen. Sie ist da wesentlich entspannter und hat gesagt: „Da, drücke ihr ein Stück Käse in die Hand“, und so, ja? Also das war schon gut da mit einer routinierten Frau, die auch nicht ganz wahnsinnig geworden ist durch die Entwicklungen, die es ja da heute gibt, wo es Mütter gibt, die sagen, du darfst dein Kind nicht küssen wegen Kariesbakterien und andere, die eben nur Bio und auf gar keinem Fall irgendwas aus einem Gläschen heraus oder nur die beste weiß ich nicht was, ja?
Und meine Mama ist da tiefenentspannt, ja? Die kommt vom Land und sagt, ein Kind muss warm angezogen sein, das muss nicht immer das Schönste sein und gerade wenn wir wieder am Land sind bei ihr draußen, da kommen ganz viele selbstgestrickte Sachen. Wir schauen teilweise aus, dass man sich an den Kopf greift. Ja, aber völlig Wurscht. Ja.
P: Ja, es muss funktionieren.
S: Es muss funktionieren.
P: Genau.
S: Das ist es.
P: Ja super, Sabine. Wir sind jetzt, ich gucke gerade auf die Uhr, schon bei 27 Minuten.
S: Ja, ich weiß.
P: Ich möchte dir gerne noch eine letzte Frage stellen und zwar: Was war für dich in den letzten ein/zwei Wochen das Schönste oder das Lustigste, was du mit deiner Tochter erlebt hast?
S: Boah, da gibt es so viel. Interessant. Das Schönste war tatsächlich also heute. Ich greif jetzt einfach das Letzte auf, das ich erlebt habe und das Letzte ist, dass meine Tochter jetzt im Moment, ich weiß nicht warum, einen sehr, sehr trockenen Husten entwickelt hat und sie gestern Nacht wirklich extrem viel geweint hat und unruhig war.
Und ich habe sie dann, was ich normal…Also sie schläft normal schon lange im eigenen Bett im eigenen Zimmer, muss ich dazu sagen, und ich habe sie dann einfach, weil es nicht mehr ging, zu mir geholt, habe sie mir auf die Brust gelegt und habe sie halt dann bei mir einfach wieder weiterschlafen lassen. Und ich war noch nicht so müde, weil ich war noch am Lesen und zu merken, dass dieses Kind, ich meine, die hat ja bei mir genauso weitergehustet wie vorher im eigenen Bett, nur solange sie alleine im Bett war, hat sie halt dann immer auch geweint, weil der Husten so schlimm war, ja?
Und in dem Moment, wo die bei mir auf der Brust lag, hat sie zwar weiter gehustet, aber sie war völlig tiefenentspannt und ist wirklich eingeschlafen und dann hat sich Gott sei Dank auch die Lunge entspannt und irgendwann konnte sie dann wirklich ganz ruhig schlafen.
Und da einfach mitzukriegen, dass dieses Kind da im Bett liegt und völlig so „Mama“ und dann gehst du da hin und holst die und indem du eigentlich so etwas Simples machst, wie sie dir auf die Brust zu legen, kannst du diesem Kind so helfen. Das war total berührend und schön für mich. Ja.
P: Das finde ich auch ein ganz, ganz schöner Abschluss und ich möchte das auch so am liebsten wirken und stehen lassen.
S: Sehr gerne.
P: Ja, weil das ist wirklich ein schönes Bild, was du da mitgibst. Sabine, ich möchte mich bei dir bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, deine Erfahrung mit deiner Tochter mit uns zu teilen.
S: Sehr gerne.
P: Ich werde alle Informationen über dich, über deinen Blog und über deine Arbeit in den Notizen verlinken unter dem Podcast. Und ja, vielen Dank und schöne Grüße nach Wien.
S: Danke für die Einladung, Peter. Alles Liebe
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen